Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 06.03.2001

Berghofer war inoffizieller Mitarbeiter der Stasi

Seine Akten be- und entlasten ihn gleichzeitig
 
DRESDEN. Er besitzt einen ausgeprägten Ehrgeiz, sieht sich gern im Mittelpunkt und zeigt Tendenzen der Arroganz gegenüber seinen Mitarbeitern", schreibt die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Ende 1985 über Wolfgang Berghofer, der kurz darauf Dresdens letzter SED-Oberbürgermeister (OB) werden sollte. Mehr als 15 Jahre später denkt der inzwischen 58-Jährige darüber nach, noch einmal für das höchste Amt der sächsischen Landeshauptstadt zu kandidieren. Darf er als ehemaliger IM und verurteilter Wahlfälscher OB werden oder nicht? Eine Frage, mit der sich längst diverse Rechtsanwälte beschäftigen, obwohl sich Berghofer offiziell noch nicht entschieden hat. "Rein formal kann jeder Deutsche zwischen 21 und 65 Jahren antreten, wenn er eine Unbedenklichkeits-Erklärung unterzeichnet", sagt Thomas Uslaub vom Innenministerium. "Ob er die Wahrheit sagt, wird erst nach der Wahl geprüft." Zwar darf "grundsätzlich" niemand auf den OB-Stuhl, der für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hat. Doch das Verfassungsgericht stellte 1997 klar, dass Ausnahmen auch hier die Regel bestimmen. "Bestätigt sich ein MfS-Verdacht, ist festzustellen, ob der Bewerber deshalb für das Amt untragbar erscheint", sagt Uslaub. Die SZ konnte die derzeit vorhandenen Akten von IM "Falk" alias Wolfgang Berghofer einsehen - ein Dokumenten-Stapel, der den gebürtigen Bautzner nicht nur be-, sondern auch entlastet. Als Berghofer im Sommer 1971 die Reisestelle im Zentralrat der FDJ übernehmen soll, verlangt das MfS dem "klassenbewussten Genossen" die Verpflichtungserklärung ab. Mit seiner Unterschrift steigt der damals 28-Jährige vom Instrukteur zum Verantwortlichen für Westreisen von FDJ-Kadern auf. Die Hauptabteilung XX/2 in Berlin stellt hohe Erwartungen an ihren IM "Falk": er soll unter anderem beobachten, wer Kontakte zu Westberlinern pflegt, ob es Anzeichen von Republikverrat gibt und wie die Stimmung in seinem Arbeitsbereich ist. 1972 und `73 trifft sich Berghofer mindestens ein Dutzend Mal mit seinem Führungsoffizier Arnold und berichtet - dass es Kontaktsuche von Westdeutschen zum Zentralrat gebe; dass ein Mitarbeiter undurchsichtige Verbindungen habe; dass eine Sekretärin häufig mit Bekannten telefoniere und sich dabei zum Tanz verabrede. Ihr Vater sei Mercedes-Fahrer . . . Ende 1973 spricht Berghofer mit dem MfS seinen Entwurf für die Auswahl von FDJ-Auslandkadern durch und arbeitet auf Wunsch Änderungen ein. Im März 1974 ändert die Stasi ihre Aufgaben für IM "Falk". Er soll zur "Erhöhung des operativen Nutzeffektes der Reisestelle" Reisekader nachbefragen, unangemeldete Westbesucher kontrollieren und Westpost analysieren. Doch die Berichte werden dünner und allgemeiner. Im November 1974 zeigt sich das MfS erstmals verstimmt. Berghofer "offenbart seine Kenntnisse zu Personen nicht rückhaltlos, sondern weicht einer konkreten Berichterstattung aus", heißt es im geheimen "Auskunftsbericht". "Er ist nicht ehrlich und spricht nur über Probleme, zu denen er in seiner Funktion verpflichtet ist." Eine ähnliche Einschätzung folgt 1975. Später wiederum kassiert Berghofer eine 300-Mark-Prämie, weil er "das MfS bei der Erfüllung der Aufgaben gut unterstützt" habe. Im Februar 1976 - Berghofer ist inzwischen beim FDJ-Zentralrat für die Organisation von Jugendfesten zuständig - informiert IM "Falk" über einen befreundeten Genossen: "Über seine Hobbys weiß ich, dass er sich vor allen Dingen für die sowjetische Romanliteratur interessiert." Darüber hinaus sammle er Schallplatten mit Politsongs der FDJ-Singebewegung. Der Genosse sei charakterlich widersprüchlich, lege großen Wert auf modische Kleidung, habe aber offensichtlich seit vier Jahren kein intimes Verhältnis zu Frauen. Führungsoffizier Arnold bescheinigt daraufhin im März 1977 in der Spalte "Einschätzung der Zusammenarbeit mit Falk": "unehrlich, negative Einstellung zum MfS. op. Maßnahmen zur Person eingeleitet." In den Notizen der Hauptabteilung findet sich im Februar 1978 ein Vermerk, dass Berghofer auf Intervention des MfS nicht persönlicher Referent des Leiters des Amtes für Jugendfragen wird. Nach einem letzten Versuch, mit der "Operativen Personenkontrolle Heizung" an Informationen über eine dritte Person zu kommen, kündigt die Stasi Ende 1981 die Verbindung zu Berghofer auf. "Der IM versuchte, sich der inoffiziellen Arbeit zu entziehen. Zum Teil log er", heißt es im Abschlussbericht. Sein unkooperatives Verhalten hinderte Berghofer aber nicht daran, ein paar Jahre später - mit Zustimmung der Stasi - zum Oberbürgermeister von Dresden aufzusteigen. Unter dem neuen Decknamen "Wolfgang" legt die MfS-Bezirksverwaltung in Dresden im Januar 1987 und damit ein Jahr nach seiner Wahl wieder eine Akte an. Berghofer wird darin als Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit (GMS) geführt. Nach Auskunft der Gauck-Behörde sind GMS "in der Regel nicht zur direkten Bearbeitung feindlich-negativer Personen und Personenkreise genutzt" worden. Wie sich allerdings Berghofer als GMS verhielt, dazu hat die Behörde keine Unterlagen.
(Katrin Saft)

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