Karl Nolle, MdL

Die WELT, 22.11.2002

Der Osten, die Spenden und ein vermeintlicher Skandal

 
Dresden - Eine Pleite gehört zu den bittersten Erfahrungen, die einem Unternehmer machen kann. Dieses Schicksal ereilte Ulf Rittinghaus Ende Mai: Seine Sachsenring Automobiltechnik AG (SAG) musste Insolvenz anmelden. Über die Gründe des Scheiterns des Zwickauer Traditionsbetriebes – Vorgänger war das Trabi-Werk – bestand in der Presse Einigkeit: Missmanagement.

Der „Stern“ liefert jetzt auf gleich sieben Seiten eine andere Erklärung: Der SAG-Eigner und -Vorstandschef Rittinghaus ist vor vier Jahren beim Kauf der Dresdner Chipfirma ZMD mehr oder minder erpresst worden. Und zwar, pikant, von Kajo Schommer (CDU). Der damalige Wirtschaftsminister Sachsens habe bei der ZMD-Privatisierung vom Käufer Rittinghaus vehement eine Millionenspende verlangt, mit der Kurt Biedenkopfs Wahlkampf unterstützt werden sollte. „Hat der Osten seinen ersten Spendenskandal?“, fragt der „Stern“, der seine Story mit eidesstattlichen Versicherungen garniert. Sogar der Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Mittel steht im Raum. Der Freistaat hat Rittinghaus für die ZMD-Übernahme 29 Millionen Mark Beihilfe gewährt. Sie soll künstlich überhöht worden sein. Dafür sei vom SAG-Chef verlangt worden, einen Millionenbetrag abzuzweigen und im Vorfeld der Landtagswahl in die Kampagne „Sachsen für Sachsen“ zu stecken.

„Das ist eine unglaubliche Räuberpistole“, so Schommer. Der Ex-Minister sagte der WELT, er lasse rechtliche Schritte prüfen. Gegen Rittinghaus und womöglich den „Stern“. Nach Schommers Version ist Rittinghaus auf ihn zugekommen und habe von sich aus angeboten, etwas für die Wiederwahl Biedenkopfs zu tun. Schommer: „Geben Sie doch fünf Millionen, habe ich gescherzt. Ich hätte auch 100 Millionen sagen können.“ Der CDU-Mann beteuert, sich nie mit der Finanzierung des Wahlkampfes befasst zu haben.

Laut Biedenkopfs Ex-Sprecher Michael Sagurna ist um den Jahreswechsel 1998/99 die PR-Beratung WMP in der Staatskanzlei vorstellig geworden. Diese habe angeregt, eine Imagekampagne für das Land aufzulegen. Die Initiative, die auch von Rittinghaus getragen worden sei, mündete in einer Anzeigenkampagne, in der Sachsen in überregionalen Titeln ihre Heimat lobten. Realisiert wurde die Idee von der Agentur Scholz & Friends, die grundsätzlich keine Parteienwerbung macht.

Auch Hans-Erich Bilges von WMP betont, dass strikt auf parteipolitische Neutralität geachtet worden sei. Sogar Sozialdemokraten hätten die Kampagne unterstützt. Schon deshalb scheint der Vorwurf der erpressten Wahlkampfhilfe abwegig. Damit widerspricht Bilges indirekt Ulf Rittinghaus. Was bemerkenswert ist. Denn der Pleitier sitzt im Aufsichtsrat von WMP und ist an der PR-Firma beteiligt.
(von Uwe Müller)

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