Sächsische Zeitung, 22.11.2002
Nur Zeitungsschnipsel im Archiv
Regierung wehrt sich: Keine illegale Wahlkampffinanzierung / Rittinghaus-Bruder: „Herr Schommer tut mir leid“ / Untersuchung gefordert
Die Staatsregierung hat sich gestern erstmals gegen Vorwürfe von Ulf Rittinghaus, Ex-Vorstand der insolventen Zwickauer Sachsenring Automobiltechnik AG (SAG), zur Wehr gesetzt. Der Manager hatte an Eides statt versichert, dass ihm vom ehemaligen Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU) höhere Zuschüsse für den Kauf des Zentrums für Mikroelektronik Dresden (ZMD) angeboten worden waren, falls seine Firma kurz vor der Landtagswahl 1999 eine Imagekampagne finanziere. Tatsächlich wurden später die staatlichen Beihilfen für die SAG von 25 auf 29 Millionen Mark erhöht, worauf die Zwickauer Firma mit drei Millionen Mark die landesweite Kampagne „Sachsen für Sachsen“ unterstützte, deren Motto dem späteren CDU-Wahlslogan ähnelte.
Einer der Hauptinitiatoren der Kampagne war die CDU-nahe Geschäftsführerin des Saxonia Bildungsinstituts in Dresden, Viola Winkler. Sie sagte gestern der SZ, es habe sich um eine „rein private Aktion“ gehandelt, an der sich neben der SAG auch andere Firmen beteiligt hätten, so der Chemnitzer Bruno Banani oder die Staatliche Porzellanmanufaktur Meißen. Weder die Landesregierung noch die sächsische CDU hätten sich eingemischt.
Sachsens Regierungssprecher Christian Striefler wies die Rittinghaus-Vorwürfe ebenfalls zurück. Nach einer ersten Prüfung sei man auf keine Unterlagen gestoßen, die „irgendeinen auch noch so kleinen Zusammenhang“ zwischen den Vorgängen dokumentierten. Im Archiv der Staatskanzlei hätten sich lediglich einige Zeitungsausschnitte über die Kampagne gefunden.
„Woher das Geld stammt, mit dem Herr Rittinghaus die Aktion unterstützt hat, weiß ich nicht.“
Über die Motive der SAG, die Kampagne im Wahljahr finanziell zu unterstützen, wollten sich weder Striefler noch die Wirtschaftsstaatssekretärin Andrea Fischer und Finanzstaatssekretär Wolfgang Voß äußern. Dafür erklärten sie, dass es sich bei der Erhöhung der Beihilfen an die SAG lediglich um „eine technisch notwendige Finanztransaktion“ gehandelt hat. So habe ZMD bereits vor dem Verkauf an Sachsenring ein Darlehen vom Freistaat in Höhe von vier Millionen Mark erhalten, das zwingend zurückgezahlt werden musste. Diese Zahlungspflicht sei beim Verkauf auf den neuen Besitzer übergegangen. Damit die SAG deswegen aber nicht wieder vom Kauf zurücktrete, habe man die Beihilfen um eben genau diesen Betrag erhöht. Die SAG habe das Darlehen dann bis Januar 2001 inklusive Zinsen zurückgezahlt. Mit dem Sponsoring der „Sachsen für Sachsen“-Kampagne habe all das nichts zu tun.
Ernst Wilhelm Rittinghaus, ebenfalls ehemaliger SAG-Vorstand, bestätigt hingegen die Aussagen seines Bruders. „Wir können die Wahrheit nicht verschweigen“, sagte er der SZ. Sämtliche Rechnungen der Kampagne habe Sachsenring übernommen; die Kosten dafür stünden ordnungsgemäß im Geschäftsbericht 1999. Mit ihren Aussagen hätten die Brüder nur auf eine Anfrage des Magazins „Stern“ reagiert; von sich aus seien sie nicht an die Presse herangetreten. Das Ganze, so Ernst W. Rittinghaus, habe natürlich „ein Geschmäckle“, und „Herr Schommer tut mir leid.“ Aber es sei nun mal der Wunsch des Ex-Ministers gewesen, die Finanzierung der Kampagne mit den Beihilfen für die SAG zu verquicken.
Die Rechnungen der Kampagne habe im übrigen die Berliner Agentur Scholz & Friends gestellt – eine Agentur, die unter anderem auch für die seit 1993 laufende Investorenkampagne der landeseigenen Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH verantwortlich zeichnet. Der Göttinger Rittinghaus-Anwalt Reiner Füllmich widersprach am Abend gegenüber der SZ: „Wir können nachweisen, dass die Darstellung der Landesregierung falsch ist“ (siehe Kasten rechts).
Gegen die Rittinghaus-Vorwürfe wollte die Staatsregierung vorerst nicht juristisch vorgehen, weil sich diese bisher allein auf den Ex-Wirtschaftsminister Schommer beziehen. Sollten sie sich zu einem späteren Zeitpunkt auch gegen die Landesregierung richten, werde man die eigene Position neu prüfen.
Eine Mitverantwortung von Ministerpräsident und dem heutigen CDU-Landesvorsitzenden Georg Milbradt für die Vorgänge vor drei Jahren schlossen sowohl Fischer als auch Striefler kategorisch aus. Das für den ZMD-Verkauf zuständige Wirtschaftsministerium habe Milbradt, der damals Finanzminister war, lediglich routinegemäß über den Verlauf in Kenntnis gesetzt. Milbradt habe zu keinem Zeitpunkt per Anweisung eingegriffen.
Die Opposition reagierte auf die Erklärung mit Unmut. André Hahn, parlamentarischer Geschäftsführer der PDS-Landtagsfraktion, sprach davon, dass mit Striefler, Fischer und Voß, die alle neu in ihren Ämtern sind, lediglich „Nichtbeteiligte und Unwissende“ vorgeschickt wurden. Ein Untersuchungsausschuss müsse jetzt klären, ob öffentliche Gelder in eine „staats- und parteinahe Image-Initiative“ geflossen seien und wer dafür die Verantwortung trage. Die SPD sowie die Bündnisgrünen forderten ebenfalls eine lückenlose Aufklärung.
(Gunnar Saft und Ulrich Wolf)