DNN, 14.11.2002
ADAC: Seilschaften bestimmen über Sachsens Luftrettung
Gericht klärt schwere Vorwürfe gegen Ministerium
DRESDEN. Müssen Luftrettungsärzte ab Januar zu Fuß gehen? Diese Frage ist nicht abwegig. Die Internationale Flugambulanz (IFA) wird nicht mehr von der Helikopterstation auf dem Flughafen Leipzig abheben. Ihr Vertrag wurde vom Innenministerium gekündigt. Die Deutsche Rettungsflugwacht (DRF) wird als neuer Betreiber juristisch hart bekämpft. Gleich vier Verfahren sind vor sächsischen Gerichten gegen die Entscheidung anhängig. Vor allem der ADAC bringt heftige Einwände gegen die Vergabe vor. "Wären wir in einem offenen, fairen Wettbewerb nur zweiter Sieger, würden wir es akzeptieren", sagt Sachsens ADAC-Chef Nikolaus Köhler-Totzki. Er teilt mit, was er von der Ausschreibung hält: "Die DRF sollte ins Geschäft gebracht werden. Das stinkt gewaltig. Hier herrscht ein unglaublicher Sumpf."
Köhler-Totzki dürfte als Rechtsanwalt wissen, was er sagt. Damit seine Vorwürfe nicht als Schimpftiraden eines Beleidigten erscheinen, bringt er Belege für seine Vermutung. Nach einer ersten Ausschreibungsrunde habe die DRF dem ADAC Preisdumping vorgeworfen, weil dieser mit 37 Euro einen Euro pro Minute preiswerter fliegen wollte. "Wieso kennt ein Mitbewerber unser Angebot", staunte man im ADACdamals. Obwohl der Automobilclub das preiswerteste Gebot abgegeben hatte, wurde eine zweite Vergaberunde eröffnet. Der ADAC versprach die Übernahme der vorhandenen Station, den Bau einer Hubschrauberwerft mit 15 Arbeitsplätzen und kalkulierte "mit spitzer Feder" ein Angebot von 34 Euro pro Flugminute. "Dieser Preis wäre gerade kostendeckend gewesen", erklärt Nikolaus Köhler-Totzki. Doch wieder gewann die Rettungsflugwacht. Sie bot die Flugminute für knapp 28 Euro an. Bereits im Frühsommer feierte die DRF sich als Sieger und suchte nach Ärzten, obwohl offiziell keine Entscheidung verkündet worden war. Außerdem soll sie im September - weit nach Abgabeschluss - ihr Angebot nachbessert haben. Das Innenministerium hatte dies dementiert.
"Die DRF fliegt auf keiner ihrer Stationen in Deutschland zu solch einem Preis. Doch nun ist plötzlich nicht mehr von Dumping die Rede", empört sich Köhler-Totzki. Überhaupt steige nirgends ein Hubschrauber für unter 30 Euro pro Flugminute in die Lüfte. Deshalb wirft der ADAC dem Innenministerium neben einer unlauteren Ausschreibung auch vor, die im Gesetz geforderte Kostendeckung des Angebotes nicht geprüft zu haben.
Das Verfahren sei rechtswidrig, die Weitergabe von Daten an einen Mitbewerber ein Skandal. Mit diesen Vorwürfen lässt es der ADAC noch immer nicht bewenden. Man stellte zudem eine Manipulation der Akten fest und wirft dem Innenministerium eine Verschleppung des Verfahrens vor. Die Entscheidung - die wohl von Anfang an fest gestanden habe - sollte unanfechtbar sein, vermutet Köhler-Totzki. Ministeriumssprecher Thomas Uslaub bezeichnete die Vorwürfe als haltlos. Dem ADAC-Chef sind sie Indizien genug, zwischen Ministerium und DRF"landsmännische Verbundenheit" zu vermuten. Eine andere Bezeichnung für Seilschaften. "Es ist kein Geheimnis, dass in der Staatsregierung viele Beamte aus Baden-Württemberg tätig sind", weiß Köhler-Totzki. Unter denen gebe es wohl einen Maulwurf, der aus Liebe zur alten Heimat mit der in Sindelfingen ansässigen Rettungsflugwacht die Ausschreibung so manipulierte, dass es nur einen Sieger geben konnte: die Deutsche Rettungsflugwacht.
(Andreas Friedrich)
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Siehe auch: 17 kleine Anfragen von Karl Nolle an die sächsische Staatsregierung vom 11.11.2002.