Sächsische Zeitung, 04.11.2002
Neue Fragen zu einer Tat, die nicht vollendet wurde
Tonbänder an Staatsanwalt - Beweise unterdrückt?
Nach dem Auftauchen geheimer Tonband-Mitschnitte muss sich die Staatsanwaltschaft erneut mit der angeblich geplanten Entführung des Mittweidaer Landrats Andreas Schramm befassen.
DRESDEN. Es geht wieder um die Frage, ob Kurt Fischer, ehemals Direktor der Sparkasse Hainichen, tatsächlich Täter oder möglicherweise Opfer in dem ominösen Fall von 1995 war. Der SPD-Landtagsabgeordnete
Karl Nolle hat am Sonnabend Strafanzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft in Dresden gestellt. Das bestätigte er gestern der SZ. Es müsse der Verdacht geprüft werden, ob in dem ungewöhnlichen Fall Beweismittel unterdrückt wurden.
Fischer wurde 1996 zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er den Vorschlag des Privatdetektivs Rainer Kapelke angenommen habe, den CDU-Landrat Schramm verschwinden zu lassen. Kapelke informierte die Polizei und entging so einer Strafe.
Angesichts der jetzt aufgetauchten Tonbänder wird zweifelhaft, ob Schramm jemals ernsthaft gefährdet war. Vor einigen Tagen, so Nolle, seien ihm die Mitschnitte zweier Gespräche auf einer Minikassette der Marke „Olympus MC 60“ und schriftliche Protokolle davon anonym zugegangen. Er habe das Material der Generalstaatsanwaltschaft übergeben, teilte er mit.
Beide Gespräche waren die Grundlage für Fischers Verurteilung. Aber die Mitschnitte lagen dem Gericht nicht vor. Die Protokolle der Unterhaltungen vom 21. und 26. Oktober 1995 liegen der SZ als Kopie vor. Daraus geht hervor, dass Detektiv Kapelke bei der geplanten Schnüffelei gegen den Landrat vor sieben Jahren die Möglichkeit in Betracht zog, den CDU-Politiker „ein paar Tage verschwinden“ zu lassen. In dem Gespräch am 21. Oktober wies Fischer auf das Strafmaß von bis zu 15 Jahren Haft hin und fügte hinzu: „Ja, und das ist der (Landrat Schramm) auch nicht wert, da würde der sich nur freuen, weil letztlich - durchgekommen ist bisher noch keiner.“
Brenzlig wird es an diesem Tag für Detektiv Kapelke, denn Fischer droht ihm offen mit einer Strafanzeige, wenn er seinen Verpflichtungen bei einem riesigen Gebrauchtwagen-Deal nicht nachkommt.
Am 26. Oktober 1995 unterzeichnet der Detektiv in der Sparkasse Mittweida einen Wechsel. Dabei fragt Fischer ihn: „Was gibt‘s denn eigentlich Neues mit der Observation von unserem lieben Schramm?“ Kapelke erwidert, dass er gerade teste, wie der Landrat täglich zu seinem Büro fährt. Darauf Fischer: „Aber das hilft Ihnen doch nichts, herauszufinden, ob der bei der Stasi war, wenn Sie wissen, wie der morgens fährt?“ Kapelke antwortet: „Ne, aber da bereiten wir an und für sich auch den anderen Plan mit vor.“ Fischer: „Ja, welchen Plan denn?“ Kapelke: „Ja, mit der Entführung, die Angelegenheit.“ Darauf konterte Fischer: „Wir wollten das ja nicht“.
Zu diesem Zeitpunkt arbeitete der Detektiv bereits mit dem sächsischen Landeskriminalamt zusammen. Unter dessen Regie - das zeigten die Gerichtsverhandlungen - wurden Vorbereitungen für eine Entführung getroffen. Die Erpresserbriefe wurden auf einem LKA-Laptop geschrieben. Eine LKA-Beamtin brachte die zur Entführung vorgesehenen Handys an Fischers Wohnort. Nun ist das LKA in Erklärungsnot. Es sei damals nicht bekannt gewesen, dass es diese Mitschnitte gab, erklärte LKA-Sprecher Lothar Hofner am Freitag.
Daraus ergeben sich zwei Fragen: Hat sich Sachsens oberste Kriminalbehörde von einem zwielichtigen Privatdetektiv hereinlegen lassen? Oder wurde der Sparkassendirektor Kurt Fischer gar nach einem quasi amtlichen Szenario zu einer Straftat gelockt?
(Von Thomas Schade)
http://www.sz-online.de/news/artikel.asp?id=154995