Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 04.11.2002

Ein Komplott mit LKA-Beteiligung?

Im Fall Kurt Fischer stehen die Ermittler unter Verdacht
 
CHEMNITZ/DRESDEN. Der aus Bayern stammende Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Hainichen fühlt sich 1995 verfolgt: Weil er befürchtet, vergiftet zu werden, hat sich Kurt Fischer ärztlich untersuchen lassen. Weil sein Verwaltungsratschef - der Landrat Andreas Schramm (CDU), mit dem ihm wegen konträrer Geschäftsauffassungen eine grimmige Feindschaft verbindet - immer so gut Bescheid weiß, hat er seine Mittweidaer Büroräume auf Wanzen kontrollieren lassen. Keine der beiden Überprüfungen ergibt einen Hinweis auf die vermutete Verschwörung. Doch sind die nun aufgetauchten Gesprächsmitschnitte vollständig und echt, dann ist Fischer wohl trotz aller Vorsicht in eine Falle getappt.

Am 21. Oktober 1995 - bei der Unterhaltung in Planegg bei München, die später den Ausschlag für Fischers Verurteilung geben wird - tasten sich der Sparkassenmann und sein Privatdetektiv Rainer Kapelke zunächst gegenseitig nach Abhörgeräten ab. Die Maßnahme scheint nicht übertrieben, denn in dem rund 15-minütigen Gespräch diskutieren die beiden sehr wohl Verfängliches. Auch vom Verschwindenlassen des Landrates, über den Kapelke bis dahin entgegen Fischers Hoffnung nichts Belastendes herausgefunden hat, sprechen sie. Allerdings ist diese Idee offenbar schon älter und stammt von Kapelke. „Rein aus dem Herzen könnt ich’s mir sogar vorstellen“, sinniert Fischer, „aber beim Strafmaß von 15 Jahren ...“. Das, so meint er, sei „der“ gar nicht wert.

Erst am 26. Oktober 1995, bei dem rund 20-minütigen Gespräch in Mittweida, das sich ebenfalls auf der anonym an den SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle gegangenen Minikassette findet, wird die Sache konkreter. Was Fischer nicht weiß: Rainer Kapelke war zwei Tage zuvor wegen des angeblichen Kidnapping-Plans bei dem ihm bekannten Regensburger Kripo-Beamten Wolfgang Ederer vorstellig geworden. Zwar hatte dieser Kapelke nahe gelegt, Fischer zu meiden, doch daran hielt sich der einst auch für die Stasi tätige, aus Westberlin stammende Ex-Spitzel nicht.

Der chronisch verschuldete Mann musste seine von der Sparkasse ausgestellten Wechsel verlängern. Aber war das der einzige Grund für den Besuch? „Observation (Schramms - Anm. d. Red.) ist angelaufen, ääh, beziehungsweise sind wir im Moment dabei, die Wegroute mal zu testen, wie der jeden Tag zu seinem Büro fährt“, meldet Kapelke. „Aber das hilft Ihnen doch nicht, herauszufinden, ob der bei der Stasi war, wenn Sie wissen, wie der morgens fährt?“ entgegnet Fischer, worauf ihn Kapelke an die Entführung erinnert.

Obwohl der Sparkassenchef anschließend durchaus auch Details mitdiskutiert - treibende Kraft ist der angehende Hauptbelastungszeuge, wäh-rend Fischer („Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, da irgendwelche Aktivitäten fest in Auftrag gegeben zu haben“) ihn eher zu zügeln versucht. Ist das der Beleg für die Beteuerung des EX-Sparkassenchefs, er habe eine gegen sich selbst gerichtete Verschwörung aufdecken wollen, sei fest davon ausgegangen, überwacht zu werden, und habe deshalb eindeutige Hinweise auf seine Unschuld in Gespräche mit Kapelke eingebaut?

Die Ermittlungen werden sich nun vor allem auf die Authentizität und Herkunft der Mitschnitte konzentrieren. Der 44-jährige Fischer bekräftigte seinen Verdacht, er sei schon viel eher von der Polizei abgehört worden als offiziell bekannt. Er vermutet den Absender des entlastenden Materials im sächsischen Landeskriminalamt (LKA). Stimmt das, dann würde aus der Pannenserie, als die sich der damalige Einsatz der Ermittler im Nachhinein erwies, sogar zum kriminellen Komplott. Die richterlich nicht genehmigten vorzeitigen Probeaufnahmen beim Lauschangriff auf Fischers Mittweidaer Hotelzimmer Anfang November 1995, die angeblich unmögliche Überwachung des Sparkassentelefons, die Zusammenarbeit mit einem früheren Stasi-Spitzel und die zweifelhafte LKA-Taktik, den Entführungsplan faktisch selbst bis zu dem Punkt voranzutreiben, an dem man Fischer verhaften zu können glaubte - all das wäre nur die Spitze des Eisbergs.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Protokolle der Gespräche von 1995 in neuer Rechtschreibung abgefasst sind („bisschen“ statt „bißchen“, „muss“ statt „muß“), was ein Hinweis auf eine spätere Abschrift oder Bearbeitung sein könnte. Zudem verabschieden sich Fischer und Kapelke beide Male nicht so recht voneinander. Allerdings finden sich klare Hinweise auf den Zeitpunkt der Treffen. So wird beim Abzeichnen der Wechsel der 26. genannt, während sich der Sparkassenchef beim ersten Gespräch auf ein Spiel der „60er“ freut. Tatsächlich bestritt der TSV 1860 München am 21. Oktober 1995 ein Heimspiel. An Resultat und Gegner konnte sich Fischer vorige Woche zwar nicht erinnern - „verloren haben sie aber, glaube ich, nicht“, sagte er.

Ein Blick ins Archiv gibt Aufschluss: Kontrahent war damals der Karlsruher SC, das Ergebnis lautete 1:1 unentschieden.
(Von Sven Frommhold)

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