Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 02.11.2002

Geheime Mitschnitte verfänglicher Gespräche

Im Entführungsfall Schramm gibt es offenbar neue Beweise / Wer unterdrückte sie?
 
DRESDEN. Im November 1997 verhaftete das Landeskriminalamt (LKA) den Sparkassendirektor Kurt Fischer und warf ihm vor, er wollte den Landrat Andreas Schramm (CDU) entführen. Fischer musste ins Gefängnis. Möglicherweise ein Justizirrtum, wie jetzt aufgetauchte Tonbandmitschnitte beweisen sollen.

Damit könnte einer der skurrilsten Kriminalfälle Sachsens nach sieben Jahren eine überraschende Wende bekommen. Der Banker Fischer leugnet bis heute, dass er damals seinen Widersacher, den Landrat Schramm, jemals entführen wollte. Beide verband eine Intimfeindschaft. Fischer wurde schließlich wegen zweier Gespräche mit dem Regensburger Privatdetektiv Rainer Kapelke verurteilt, bei denen die Entführung geplant worden sein soll. Kapelke war unmittelbar nach dem ersten Gespräch zur Polizei gegangen. Die bestimmte danach über Kapelke das Szenario.

Nun sind Mitschnitte jener verhängnisvollen Gespräche aufgetaucht. Sie entlasten den Sparkassendirektor – angeblich. Ihre Herkunft ist jedoch unklar. Sowohl am 21. als auch am 26. Oktober 1995 unterhielten sich Fischer und der Detektiv unter vier Augen. Doch schon die Unterhaltung am 21. Oktober auf einer Parkbank im bayerischen Planegg bei München war von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Fischer und Kapelke durchsuchten sich gegenseitig nach elektronischen Wanzen. Die Richter sind überzeugt davon, dass an diesem Tag die Tat verabredet wurde. Doch das geht aus dem Mitschnitt angeblich nicht hervor.

Kurt Fischer bestreitet, dass er das Gespräch heimlich aufgezeichnet hat. „Dann hätte ich es längst zu meiner Verteidigung vorgelegt“, sagte er am Freitag. Nach seiner Ansicht handelt es sich bei den aufgetauchten Bändern um jene Mitschnitte, die ihm bereits 1998 anonym für 300 000 Mark angeboten worden seien. Er habe abgelehnt, aber Staatsanwaltschaft und Gericht davon informiert. Doch die hatten ihm nicht geglaubt.

Die Pleite nach der spektakulären Festnahme

Privatdetektiv Kapelke war am Freitag in seinem Regensburger Büro nicht erreichbar. Er hatte am 24. Oktober 1995, drei Tage nach dem ersten verfänglichen Gespräch mit Fischer, einen bayerischen Kripobeamten informiert, „dass ein hochrangiger CDU-Politiker in Sachsen durch einen hochrangigen Beamten entführt werden sollte“, so stellte das Gericht fest. Einen Tag später habe der Detektiv Namen und Details genannt. Doch konkrete Absprachen tauchen in dem Gespräch auf der Parkbank angeblich überhaupt nicht auf. Fischer machte Kapelke stattdessen Druck, er solle in der Vergangenheit des Landrates nach „dunklen Punkten“ forschen, um Schramm diskreditieren zu können.

So bleibt vorerst die Frage: Hat der Detektiv für sich persönlich heimlich aufgezeichnet, was er mit seinem Auftraggeber besprach? Oder hatte er schon eher als bisher bekannt Kontakt zur Polizei?

Denn der zweite Gesprächsmitschnitt stammt vom einem Treffen zwischen Kapelke und Fischer am 26. Oktober 1995 in der Sparkasse Mittweida. Zu diesem Zeitpunkt war das LKA Sachsen bereits mit dem Fall befasst. Kapelke sollte ohne Wissen der Beamten mit Fischer nicht mehr sprechen. Er hielt sich nicht daran. So ist zu klären, ob den Ermittlern die Gesprächsmitschnitte als Beweismittel vorlagen.

„Uns sind Mitschnitte dieser Gespräche aus jener Zeit nicht bekannt“, erklärte LKA-Sprecher Lothar Hofner am Freitag. Es habe auch keine polizeilichen Maßnahmen zur akustischen Überwachung dieser Treffen gegeben.

Nach der Festnahme Fischers wurde der Fall zur Pleite. Anfangs war von einer „höchsten Gefährdung“ des Landrates die Rede, der mit „einem hohen personellen und technischen Aufwand“ geschützt wurde, und von einem „durchdachten Tatplan“. Zu dessen Vereitelung führte das LKA den ersten großen Lauschangriff auf der Grundlage des Polizeigesetzes durch. Es kam dabei zu Rechtsverstößen. Vor Gericht mussten die Ermittler dann die Demontage des Detektivs Kapelke miterleben, der offenbar eine Räuberpistole in die Welt gesetzt hatte. Die Richter kamen zu der Überzeugung: „Unglaubwürdig“.
(Von Thomas Schade)


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