Agenturmeldungen, ddp, 16.28 Uhr, 15.10.2002
Sachsen verfehlt Ziel bei Wiederaufbau
Planungssicherheit erst bei Hälfte der flutgeschädigten Firmen - Gillo beklagt zu wenig Anträge
Dresden (ddp-lsc). Zwei Monate nach der Flut hat Sachsen ein selbst gestecktes Ziel beim Wiederaufbau verfehlt. Wirtschaftsminister Martin Gillo (parteilos) räumte am Dienstag ein, dass derzeit erst für die Hälfte der geschädigten Unternehmen im Freistaat Planungssicherheit bestehe. Allerdings hätten viele Betriebe noch keine Hilfe bei der Sächsischen Aufbaubank beantragt. Ein Grund für diese Zurückhaltung sind nach Ansicht der Industrie- und Handelskammern (IHK) auch die ausstehenden Versicherungsleistungen. Vertreter der Opposition übten unterdessen Kritik an Gillo.
Für 90 Prozent der geschädigten Unternehmen hatte der Ressortchef bis Mitte Oktober Planungssicherheit versprochen. «Wir können aber erst an unserem Versprechen gemessen werden, wenn alle Anträge vorliegen», betonte er. Bislang seien insgesamt etwa 5200 Anträge von der Sächsischen Aufbaubank bewilligt worden. Allerdings seien erst 5700 Anträge eingegangen, betonte Gillo.
Die geringe Zahl der Antragsteller begründete Gillo einerseits mit einem aus seiner Sicht weit verbreiteten Vorurteil, dass nur maximal 75 Prozent des Schadens beglichen würden und die verbleibenden 25 Prozent selbst aufgebracht werden müssten. «Wer mit seiner Hausbank ein Konzept zur Zukunft seiner Firma ausarbeitet, kann im Einzelfall bis zu 100 Prozent gefördert werden», sagte Gillo. Andererseits gebe es Unternehmen, die wegen ausstehender Versicherungsleistungen und dem bevorstehenden Wintereinbruch mit ihrem Antrag noch so lange warten wollten, bis die endgültige Schadenssumme feststehe.
Auch der Präsidentensprecher der sächsischen IHK, Michael Lohse, führte die wenigen Anträge auf die «versicherungsrechtlichen Unsicherheiten» zurück. Bei vielen Unternehmern herrsche Unklarheit über den Schadenersatz, der ihnen über ihre Versicherung zusteht. Diese hielten sich «zur Zeit bedeckt». Es sei deshalb davon auszugehen, dass sich die Zahl der Anträge bei der Aufbaubank noch erhöhen werde.
Nach Einschätzung des Parlamentarischen Geschäftsführers der
PDS-Fraktion, André Hahn, ist die Situation gerade für kleine Betriebe und Gewerbetreibende «dramatisch». Es sei unverständlich, warum selbst bei bewilligten Anträgen noch nicht alles ausgezahlt worden sei. Zudem sei das Verhältnis von tatsächlichem Schaden und erstatteten Hilfsleistungen «nicht befriedigend». So habe etwa die Oberelbische Verkehrsgesellschaft Pirna-Sebnitz bei einem Schaden von drei Millionen Euro erst 81 000 Euro erhalten.
«Gillo ist mit viel Vorschusslorbeer gestartet, hat aber noch nichts davon eingelöst», kritisierte Hahn. Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion,
Karl Nolle, wirft dem Minister Fehler vor. Das vor fünf Wochen verkündete Ziel, bis jetzt bei 90 Prozent der Unternehmen für Planungssicherheit zu sorgen, belege Gillos «Realitätsverlust».
(Von Tino Moritz)
(Quellen: Alle auf ddp-Anfrage)
ddp/tmo/kfr
151628 Okt 02