Soester Anzeiger - Archiv vom 26.08.1995, 10.10.2002
Statt Feierabendbier etwas für "gehobene Ansprüche"
Investoren wegen "Förderung der Prostitution" vor Gericht
KREIS SOEST. Als sich die drei Geschäftsleute aus dem Kreis Soest nach dem Fall der Mauer in der ehemaligen DDR umschauten, wurden sie fündig. Ein Landgasthof im Städtchen Rossau bei Mittweida in Sachsen erschien ihnen als Spekulationsobjekt geeignet. Doch nicht der Kauf der Immobilie von der Treuhand steht zur Debatte, wenn der Soester Rechtsanwalt Volker C., der Soester Kaufmann Joachim W. sowie der Möhneseer Zahntechniker Jochen Sch. Am 12. September, 8 Uhr vor dem Amtsgericht in Hainichen, bei Chemnitz erscheinen.
Die Weitervermietung für lukrative 15 000 Mark ließ die Staatsanwaltschaft aktiv werden. Denn dort richteten Zuhälter ein Bordell ein. „Förderung der Prostitution“ lautet die Anklage.
Nach dem Kauf bauten die Investoren aus Westfalen die ehemalige Kneipe mit Schankraum im Erd- und kleinen Tanzsaal im Obergeschoss erst einmal um. Ein „Nachtclub“ sollte eben entstehe, nach Vorstellungen der Gemeinde Rossau allerdings als besseres Lokal mit seriösem Showprogramm.
Die Kommune bestand auch darauf, im Parterre eine „normale“ Kneipe für das Feierabendbier der 1.000 Einwohner einzurichten.
Die wurden nie fertig. Um so aktiver wurden die Mieter des Nachtclubs. Es war bald ein offenes Geheimnis, dass im Hinterzimmer mehr lief als ein Showprogramm. Für gutes Geld boten Damen Insidern in horizontaler Lage etwas für gehobene Ansprüche.
Das Etablissement samt Zuhältern und weiblichen Mitarbeitern geriet in das Blickfeld der Justizbehörden. Es wurde bei einer Polizeirazzia ausgehoben. In dem Zusammenhang erging auch ein Strafbefehl an die Investoren. Doch darauf wollten sie sich nicht einlassen, so dass der zuständige Richter im benachbarten Hainichen die jetzt bevorstehende Verhandlung anberaumte.
Rechtsanwalt C. will davon allerdings nichts wissen, eine Ladung liege ihm nicht vor. „Alles falsch“, kommentierte er, als der ANZEIGER ihn gestern mit den Anklagepunkten konfrontierte. Er habe zwar geschäftliche Beziehungen zu den anderen Mitangeklagten. Doch ob sich die Immobilie in seinem Besitz befindet, wisse er nicht. Geschäftliche Aktivitäten im Osten gestand er allerdings ein. Aber es handele sich um eine 60-Hektar-Gewerbegebiet in Rossau. Dort befänden sich nur seriöse Firmen und kein Landgasthaus.
(Soester Anzeiger vom 26.08.1995)
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Siehe auch das Dossier: Nolle - Eine leider wahre Geschichte über mafiose CDU-Amigos in Sachsen vom 8.10.2002 siehe unter Presseerklärungen.