Constanze in der Neuen Welt: Nicht jeder mag ihr folgen, 12.08.2002
Sachsens SPD-Chefin verdutzt die Genossen mit einem eigentümlichen Vorschlag
ZWICKAU. Die „Neue Welt“ in Zwickau hatte sich die SPD in Sachsen als Veranstaltungsort ihres Landesparteitages ausgesucht. Ein interessanter Ort: Von den Rängen im ersten Stock recken sich zwölf überdimensionale, sandsteinfarbene Damen zur Decke. Die Frau als Säule - so wie Constanze Krehl, die in einem sandsteinfarbenen Kostüm nach Zwickau kam, um sich als Vorsitzende wiederwählen zu lassen. In den bevorstehenden Abstimmungen - Bundestag im September und Landtag im Jahre 2004 - will sie Stütze der Sozialdemokraten sein. Alle in dem Zwickauer Jugendstil-Saal wussten: Das war ein Wahlparteitag, und es wäre ein fatales Signal gewesen, Constanze Krehl, die sächsische SPD-Säule, zu stürzen. Obschon die Sozialdemokraten im Freistaat alles andere als eine „Kuschelgruppe“ sind, wie Krehl lächelnd einräumte, wurde sie mit 69 Prozent der Stimmen zur Chefin gewählt. Ein schlechtes Ergebnis, aber eines das genügte, um zu sagen: „Ich nehme die Wahl an. Danke für ihr Vertrauen. Das ist ein ehrliches Ergebnis.“
Ehrlich heißt, dass in jeder Zehnergruppe drei Genossen saßen, die sich trotz der geforderten Wahlkampfdisziplin einen anderen Vorsitzenden wünschen. Vor Constanze Krehl liegen nun harte Monate, in denen sie sich nicht nur gegen Widersacher behaupten, sondern die Partei auch noch nach oben führen muss. Bei den letzten Landtagswahlen 1999 kam die SPD auf knapp elf Prozent der Stimmen. Ob der bizarre Vorschlag, klamme Bauunternehmer mit Staatsknete zur Aufgabe ihres Betriebes zu bewegen, der SPD hilft, darf jedoch bezweifelt werden.
Vielleicht etwas zu schnell hatte sich der Bundesminister und Ost-Beauftragte Rolf Schwanitz von seiner Vorsitzenden Constanze Krehl und ihrem Pleite-Förderungsgesetz begeistern lassen. „Ein sehr, sehr interessanter Vorschlag“, schwärmte Schwanitz, der in der Regierung Schröder für den Aufbau Ost zuständig ist und erklären muss, wem diese Förderung eigentlich helfen und wer sie bezahlen soll. Doch auf dem Zwickauer Parteitag, den Gastredner wie Bundesfinanzminister Hans Eichel nutzten, sich als Retter der Armen zu präsentieren, wirkte der Vorschlag so surrealistisch wie eine pralle Rose in der öden Wüste. Diese Rose hat keine großen Überlebenschancen - so wenig wie der Vorschlag, stürzenden Bauunternehmern noch einen Geldstoß zu verpassen.
Doch bevor die Rose stirbt, wird sie stechen. Eigentlich hat sie es sogar schon getan. Viele Genossen im Saal waren unangenehm überrascht von Krehls Ausflug ins Baugewerbe, auch wenn die Vorsitzende beteuerte, Partei und Verbände informiert zu haben. Der SPD-Chef im Landtag, Thomas Jurk, quälte sich ein Lächeln ab und räumte ein, schon mal was davon gehört zu haben. Über Details der Pleite-Prämie sei er allerdings nicht informiert. Der Landtagsabgeordnete
Karl Nolle wusste überhaupt nichts von dem ganz und gar unsozialistischen und auch aus marktwirtschaftlicher Sicht höchst sonderbaren Vorschlag. „Darüber ist nicht diskutiert worden, weder in den Parteigremien noch in der Fraktion. Das war ein Alleingang, das hat sie aus dem Hut gezaubert“, beschwerte sich Nolle. Und prophezeite: „Frau Krehl wird Probleme haben, das durchzubekommen.“
Constanze Krehl aber wankte nicht: Die Abschreibungspolitik unter der Regierung Kohl habe nach der Wiedervereinigung nicht nur für den Neubau von Büro- und Wohnraum, sondern auch zu einem Überangebot an Bauunternehmen geführt. Das Resultat: Investitionsruinen, leerstehende Gewerbegebiete. Die Fehler, die von der Politik gemacht worden seien, müssten nun auch von der Politik behoben werden. Deshalb, so ihre Begründung, müsste den Bauunternehmern der „freiwillige geordnete und rechtzeitige Rückzug aus dem Markt ermöglicht werden“.
Krehls Vertrauen in den Staat und seine Arbeitsämter geht noch weiter. Den gescheiterten Unternehmern will sie eine „qualifizierte Ausbildung in einem wirtschaftlicherfolgversprechenden Bereich“ anbieten. Von diesem Angebot sollen außerdem Geschäftsführer Gebrauch machen können, die „nicht genug Kenntnisse in der Betriebswirtschaft“ haben.
Ob dies das Signal ist, auf das die Wirtschaft, erstickend in einem Wust aus Bürokratie und Steuergesetzen, sehnsüchtig gewartet hat? Kaum. Und auch die Gewerkschaften sind nicht sonderlich begeistert. So meinte der SPD-Wahlkämpfer und sächsische DGB-Chef Hanjo Lucassen fast gnädig: „Gut, dass sich Frau Krehl Sorgen macht. Aber eine Stilllegungsprämie wie im Bergbau oder der Landwirtschaft - das muss noch mal genau überdacht werden.
(Johannes Fischer)