SPIEGEL online-forum, 27.07.2002
Nolle: "Guten Tag, Herr Kollege Oezdemir!"
"Treten Sie zurück, Herr Oezdemir", Mail an Cem Oezdemir vom 36.7.02
SPIEGEL online-forum: Karl Nolle, MdL 08:36am Jul 27, 2002 CEST (#464 of 464)
Anbei meine mail an Cem Oezdemir vom 24.7.02, 4.30 Uhr.
Trotz meiner Kritik, oder gerade deswegen, ich habe großen Respekt vor dem Schritt den Cem Oezdemir nun tatsächlich gegangen ist.
Herzlichen Gruss aus Dresden
KARL NOLLE
SPD-MdL
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24.7.2002, 4.30 Uhr
Guten Tag, Herr Kollege Oezdemir,
gerne habe ich Ihre mails im Spiegel gelesen, das ist nun vorbei. Ich kann ihren Schrecken ja verstehen, als Sie (vielleicht jetzt erst) den ganzen Umfang Ihrer politischen Verstrickung in die halbseidenen klebrigen Spinnfäden von Hunzinger bemerkt haben. Übrigens ein Dementi ist so, als wollten Sie Zahnpasta wieder zurück in die Tube drücken, nachdem sie nunmal raus ist. Es geht nicht.
Zum Handwerkszeug eines "progressiven" Politikers und Abgeordneten gehört doch wohl das kleine ABC "Who is who?". So naiv oder dumm kann doch eigentlich kein kluger Mensch sein, anzunehmen, es merke keiner, es ist ja nur ein Darlehen, es gibt doch keine (aufgeschriebene) Gegenleistungen ...
Das ist es ja gerade - juristisch einwandfrei und doch politisch "freundschaftlich" voll auf der Leimrute eines schmierigen Lobbyistenmachers im Nadelstreifen gelandet.
Das sind die zarten Anfänge politischer Korruption, auf die Sie sich eingelassen haben und nicht für ein Taschengeld. Korruption funktioniert nur, wenn sie unsichtbar bleibt. Unsichtbarkeit bis zur Unvorstellbarkeit für Dritte ist gerade der Charakter von Korruption.
“Die Juristen sprechen von, Bestechung, Vorteilsnahme oder Untreue, dabei ist gemeint eine Verabredung zu beiderseitigen Vorteil auf Kosten eines Dritten, des Staates oder eines Unternehmens, Korruption findet zwischen Tätern statt und bleibt für das Opfer meist unsichtbar.” (FAZ, 14.11.01, Korruption - das unsichtbare Verbrechen)
Politische Korruption braucht eben nicht ausdrücklich eine Verabredung zum beiderseitigem Vorteil, es reichen freundschaftliche, scheinbar harmlose Gegenleistungen, nette Kontakte, kleine Informationen in wechselseitiger Sympathie.
Ich fand übrigens Scharpings Erklärung einfach Spitze, er habe Vorschuss für seine ungeschriebenen Memoiren erhalten. Mit solchen Geistesblitzen konnte man schon mal Parteivorsitzender, Kanzlerkandidat und Verteidigungsminister werden - aber eben nicht bleiben.
Schade, dass Leute wie Sie, Herr Oezdemir, und Koll. Scharping, die ehrlichen Bemühungen tausender SPD- und Grünenmitglieder, Stoiber zu verhindern, so in den Dreck treten.
Biedenkopf ist hier in Sachsen in einer 12-monatigen unglaublichen, persönlichen und privaten Skandal- und Affärenoffenbarung zum vorzeitigen Rücktritt gezwungen worden, trotz Sympathiewerten von 80% und Wahlergebnissen von 57% für die CDU. Ich habe es als meine selbstverständliche Aufgabe als Oppositionspolitiker gesehen, dies zusammen mit anderen beharrlich und letztlich erfolgreich zu betreiben.
Ziehen Sie persönliche Konsequenzen, geben Sie anderen grünen Kolleginnen oder Kollegen, ohne "naive" Verstrickungen, eine Chance und treten Sie zurück.
Oder glauben Sie allen Ernstes, mit einer Spende und einer Entschuldigung kann sich die politische Klasse, mit der Priviligierung, die Sie haben, davonmachen ? Schade, wenn Sie schon so abgehoben wären!
Mit freundlichen Grüssen
KARL NOLLE, SPD-MdL Sachsen
www.karl-nolle.de
