Dresdner Morgenpost, 25.07.2002
Hundert Tage
"Meine Meinung" von Gerhard Jakob
Wer hätte je gedacht, dass einer wie
Karl Nolle einmal Kurt Biedenkopf eine Träne nachweint. Es ist passiert, und 100 Tage Regierung Milbradt haben dazu ausgereicht. „Ich befürchte, Milbradt ist ein jüngerer Biedenkopf, dem aber dessen Größe fehlt", seufzte Nolle gestern.
Nun ist es nicht unbedingt Georg Milbradts Job, den Hoffnungen eines Oppositionspolitikers zu entsprechen. Doch dass sich der Regierungs-Chef ausgerechnet zum 100 Tage-Dienstjubiläum mit unbekanntem Ziel absetzt, zeugt nicht gerade von politischer Klugheit. Er überlässt das Feld seinen Kritikern.
Daran ändern auch nicht die paar von ihm zurückgelassenen Verlautbarungsbrocken, deren Gehalt inhaltlich gegen null geht.
Milbradt ignoriert, dass die 100 Tage-Bilanz gute, demokratische Traadition ist, der man sich nicht einfach, mittels Unerreichbarkeit entzieht. Dass er dazu sinngemäß bestellen ließ, man möge ihn doch bitte nicht belästigen, weckt böse Erinnerungen.
Kurt Biedenkopf machte sich mit seiner Gutsherrenart jede Menge Feinde. Sollte Georg Milbradt unter seiner angekündigten „Kontinuität der Politik“ auch solches Gebaren verstehen, wäre das mehr als bedauerlich. Nun denn. halten wir Milbradt zugute: Er ist erst 100 Tage im Amt ...