Karl Nolle, MdL

ND-Neues Deutschland, 12.06.2002

Neue Länder: Neue Stellen wachsen kaum

ifo-Institut: Ostindustrie sehr erfinderisch
 
In Ostdeutschland wird 2002 nur mit Mühe ein wirtschaftlicher Zuwachs erreicht, glaubt das ifo-Institut. Dem Arbeitsmarkt nutzt das wenig. Ein mageres Prozent Zuwachs prog-nostiziert die Dresdner Filiale des Münchner ifo-Instituts für die ost-deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr.

Voraussetzung dafür sei aber, dass die Entwicklung im zweiten Halbjahr noch »stark nach oben geht«, sagte Ifo-Direktor Wolfgang Gerstenberger gestern in Dresden. Das Institut glaubt an eine solche Konjunkturbelebung ab Herbst in der gan-zen Bundesrepublik, die dann 2003 auch im Osten wieder für einen kräftigen Jahreszuwachs sorgen würde. Das Bruttoinlandsprodukt könnte nach ifo-Ansicht im Osten sogar über dem im Westen liegen. Grund sei aber nicht ein höherer Produktionszuwachs, sondern die Abnahme der Bevölkerung.

Insgesamt habe die ostdeutsche Indus-trie zuletzt »eine sehr positive Entwicklung« genommen, die in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch durch die Krise in der Bauwirtschaft überlagert werde, sagte Gerstenberger. Das Ertragsniveau liegt im Osten aber im Schnitt noch immer einen halben Prozentpunkt unter dem der westdeutschen Industrie.

Der Arbeitsmarkt profitiert von der wirtschaftlichen Belebung nur im Westen. Dort könne jetzt ein »nennenswerter Beschäftigungsaufbau« in Gang kommen. In Ostdeutschland geht die Zahl der Erwerbstätigen 2002 jedoch noch einmal um 70 000 zurück. Von dem für 2003 erwarteten Stellenzuwachs von 200 000 entfallen nur zehn Prozent auf Ostdeutschland.

Gute Perspektiven werden der Ostindustrie wegen ihrer Innovationsfreude bescheinigt. Die Erneuerungsrate bei den Produkten sei deutlich höher als im Westen, sagte Gerstenberger. Zwar seien die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Unternehmen noch immer vergleichsweise schwach. Die Betriebe profitieren aber offensichtlich von Förderprogrammen, die eine Kooperation mit exter-nen Forschungseinrichtungen ermöglichen. 80 Prozent aller Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe nehmen staatliche Forschungsförderung in Anspruch, zwei Drittel davon für »Verbundprojekte« mit Hochschulen oder Instituten.

Zu einem sehr ernsthaften Problem wird für die ostdeutsche Industrie jedoch die Abwanderung(*), mahnt nun auch das ifo-Institut. Vor allem aus den ländlichen Randregionen würden junge, hoch qualifizierte Menschen in größer Zahl wegziehen. Zum Teil profitieren davon die großen ostdeutschen Städte, zumeist jedoch die westdeutschen Wachstumsregionen. Wegen der demographischen Entwicklung werde zudem bereits in zwei bis drei Jahren die Zahl der Lehrstellenbewerber stark sinken, während gleichzeitig die Zahl derjenigen, die in den Ruhestand gehen, kräftig steigt. Dies, warnten die Forscher, könne zu »massiven Engpässen« bei Fachkräften führen und die wirtschaftliche Entwicklung stark belasten.
(Von Hendrik Lasch, Dresden)

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(*) Zu den Gründen ließ Gerstenberger in der jüngsten Ausgabe seiner Fachzeitschrift „Ifo Dresden berichtet, (5/6-2002)“ einen Landespolitiker zu Wort kommen: Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Thomas Kralinski haben einen Text über die Abwanderung aus Sachsen veröffentlicht, den Gerstenberger interessant fand. „Die Jungen sind weg, wenn die Alten in Rente gehen“, heißt eine Schlagzeile in dem mit Grafiken illustrierten Beitrag Nolles, der aus Niedersachsen stammt, und des Politologen Kralinski, der in Leipzig studiert hat.

Karl Nolle im Webseitentest
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