Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, Wirtschaft, 12.06.2002

Zäher Aufschwung: Sachsens Industrie wächst nicht mehr

Ifo-Institut erwartet ab zweitem Halbjahr wieder Umsatz-Plus
 
Nun hat es auch den Vorzeige-Sektor erwischt: Das verarbeitende Gewerbe Sachsens stagniert, nach neun Prozent Wachstum im vorigen Jahr. Dresdner Ökonomen sehen in anderen ostdeutschen Ländern dieses Jahr mehr Zuwachs.

Dresden. „Unsere Wirtschaft legt in diesem Jahr eine Verschnaufpause ein“. So kommentierte gestern der Sprecher des Dresdner Wirtschaftsministeriums die Prognose der Ökonomen aus dem Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. Null Prozent Wachstum in Sachsens Industrie, während die neuen Länder insgesamt auf ein Prozent kommen – hat da der Spitzenreiter plötzlich den Anschluss verloren?

Das Dresdner Ministerium verweist auf die Besonderheit der sächsischen Industrie, die auch Ifo-Dresden-Chef Wolfgang Gerstenberger gestern vortrug: Viele der hiesigen Erzeugnisse sind Investitionsgüter, zum Beispiel die Druckmaschinen von KBA Planeta Radebeul.

Eine Konjunkturschwäche trifft solche Güter überproportional stark. „Uns fehlt der gesunde Branchen-Mix“, sagte Behördensprecher Burkhard Zscheischler. Auch die Export-Quote sei niedriger als in den alten Ländern, wenn auch höher als im Durchschnitt der neuen.

Baubranche wird weiter schrumpfen

Ifo-Ökonom Gerstenberger sagte gestern, die ostdeutsche Industrieproduktion sei zwar zurückgegangen, doch: „Die Wende ist da.“ Auf null Prozent Wachstum im ersten Halbjahr würden zwei Prozent in der zweiten Jahreshälfte folgen. „Es geht klar nach oben.“ Einen Beschäftigungszuwachs in der ostdeutschen Industrie erwartet das Ifo-Institut dieses Jahr nicht – im vorigen Jahr war die Zahl der Industriebeschäftigten um 2,3 Prozent gewachsen.

Während die Industrie wieder Wachstum zeigen wird, schrumpft die Bauwirtschaft weiter. Gerstenberger sagte, die „Überkapazitäten“ dort würden noch bis 2005 die Wirtschaftslage behindern. Es dauere halt zehn Jahre, sie abzubauen.

Die Wirtschaft der neuen Länder insgesamt wächst laut Ifo-Institut dieses Jahr um 0,5 Prozent, die der alten um 0,9. Für Sachsen wollte Gerstenberger noch keine Zahl nennen. Der Freistaat werde dieses Jahr „einen Tick schwächer“ sein als die anderen neuen Länder, aber im kommenden Jahr wieder stärker zulegen.

Als einen Vorteil des verarbeitenden Gewerbes der neuen Länder nannte Ifo-Experte Heinz Schmalholz die Fähigkeit, „innovative Produkte“ auf den Markt zu bringen. Das Sortiment im Osten sei wachstumsträchtiger als im Westen.

Chance für technische Textilien aus der Lausitz

Auf Anfrage sagte Schmalholz, dabei rechne er nicht nur Hochtechnologie-Produkte mit ein – auch technische Textilien aus der Lausitz oder neue Backmischungen der zweitgrößten sächsischen Industriebranche, des Ernährungsgewerbes, brächten die Wirtschaft voran. Zu Firmengewinnen berichtete Gerstenberger aus einer Umfrage, westdeutsche Unternehmen würden oft drei bis vier Prozent vom Umsatz als „gute Rendite“ bezeichnen. Ostdeutsche seien froh, wenn sie überhaupt Gewinn machten. www.ifo.de

(Von Georg Moeritz)

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