Sächsische Zeitung, Wirtschaft, 12.06.2002
Den Firmen fehlt oft ein Personalplan
Wirtschaftsforscher zeichnet Horrorszenario für Zukunft sächsischer Unternehmen
DRESDEN. Wenn Sachsens Unternehmen sich nicht stärker um ihre Personalplanung kümmern, werden sie stark geschwächt – so sehr, dass sich später nicht einmal tschechische Einwanderer für sie interessieren werden. Dieses „Horrorszenario“ hat gestern Wolfgang Gerstenberger beschrieben, Leiter des Dresdner Büros des Ifo-Instituts für Wirtschaftforschung.
Der Ökonom ermunterte die sächsischen Unternehmen, sich mehr um Ausbildung zu kümmern. Sachsen müsse nicht etwa Angst haben, bald von Arbeitskräften aus Osteuropa überflutet zu werden. Vielmehr drohe schon jetzt ein Mangel an Fachkräften. Zu den Gründen ließ Gerstenberger in der jüngsten Ausgabe seiner Fachzeitschrift „Ifo Dresden berichtet“ einen Landespolitiker zu Wort kommen: Der
SPD-Abgeordnete Karl Nolle und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Thomas Kralinski haben einen Text über die Abwanderung aus Sachsen veröffentlicht, den Gerstenberger interessant fand. „Die Jungen sind weg, wenn die Alten in Rente gehen“, heißt eine Schlagzeile in dem mit Grafiken illustrierten Beitrag Nolles, der aus Niedersachsen stammt, und des Politologen Kralinski, der in Leipzig studiert hat.
Der Fortzug junger Menschen aus Sachsens hat sich den Angaben zufolge in den vergangenen Jahren beschleunigt. Viele Abwanderer sind gut qualifiziert: Seit 1997 hat die Hälfte von ihnen Fachhochschulreife. Kralinski sprach von „Ausbluten“ sächsischer Randregionen, sah jedoch einen „Hoffnungsschimmer“ in Dresden und Leipzig: Sie zögen zunehmen junge Leute aus dem Umland an. Die Großstädte als „Wachstumskerne“ müssten also gestärkt werden.
Für die Lausitz äußerte unlängst der Bautzener Arbeitsamtsdirektor Günter Irmscher ähnliche Befürchtungen wie das Dresdener Ifo-Institut: Wenn die Unternehmen nicht jetzt ausbilden und sich um ihren Nachwuchs kümmern, kann sich das in einigen Jahren bitter rächen. Dann nämlich, wenn die Generation in den Ruhestand geht, die zur Wende Mitte Vierzig war – und junge, gut ausgebildete Leute Mangelware werden, weil sie ihr Heil inzwischen in den westdeutschen Bundesländern gesucht und gefunden haben.
Lausitzer Unternehmer und die Stiftung Innovation und Arbeit Sachsen (IAS) versuchen unter anderem damit gegenzusteuern, dass sie für junge Arbeitslose eine gezielte Ausbildung für vorher feststehende Aufgaben organisieren. Dieses Projekt „Chance 2000“ sorgte bisher beispielsweise in der Textilbranche und bei der Oberflächenveredlung für einige Neueinstellungen. (SZ/mz/tbe)