Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 06.06.2002

Peniger Provinz-Affäre wirft ihre Schatten jetzt bis nach Dresden

Ein Kleinkrieg zwischen Bürgermeister und Baulöwe eskaliert - Nun geht es um viele Millionen Schadenersatz - Auf dem Polit-Parkett beginnt das Dröhnen und Taktieren
 
DRESDEN. Zuerst sind es nur ein paar Zentimeter gewesen. Knapp zwei Meter bestenfalls. Es ging um einen Weg in Penig, der zu einem Gehöft führt, und der ein wenig zu schmal ist, als dass Autos passieren könnten. Eine Lappalie, die zu einem Kleinkrieg zwischen Penigs Bürgermeister Thomas Eulenberger (CDU) und dem Baulöwen Heribert Kempen aus Gailingen am Bodensee ausartete. Heute wirft die Provinz-Affäre ihre Schatten bis ins Dresdner Innenministerium und in den sächsischen Landtag.

Seit Monaten ermittelt der Petitionsausschuss in dieser Sache. Diese Woche sollte der abschließende Bericht gegeben werden, dann aber wurde nur Zwischenbilanz gezogen. Die Abgeordnete Ulrike Bretschneider (PDS), die zur Berichterstatterin im Fall Kempen gemacht wurde, übte nachher Kritik am Landratsamt Mittweida. Von dort sei nur eine unvollständige Akte des Vorganges übermittelt worden; wesentliche Schriftstücke würden fehlen.

Unterdrückung von Beweismitteln, wo es doch bloß um einige Zentimeter Weg geht? Im Landratsamt ist man zu keiner Stellungnahme bereit. Was den Fall Kempen angehe, äußere man sich derzeit nicht, lässt eine Sprecherin ausrichten. Tatsächlich geht es längst nicht mehr um Zentimeter. Es geht um Millionen von Euro. Auf mehr als 60 Millionen beziffert ein Zwickauer Steuerberater den Schaden, der im Fall Kempen bislang entstanden ist.

Der schmale Weg war nur der Anfang. Kempen erwarb von der Stadt ein altes Bauerngut. Das wollte er zur Eigentumswohnanlage ausbauen. Als Zufahrt benötigte er ein Wegerecht über ein benachbartes Grundstück. Das wurde ihm durch die Stadtverwerwaltung vertragsgemäß besorgt, jedoch war der Weg nicht breit genug, und die Eintragung rechtlich nicht abgesichert. Besagtes Nachbargrundstück gehört nämlich mehreren Eigentümern, von denen jedoch nur einer seine Zustimmung erteilt hat. Im Gegensatz zur Lesart des Baulöwen sieht es Penigs Bürgermeister Eulenberger genau andersherum: Der Weg reicht aus, die Baulast ist sicher; Punkt. Im Gefolge des Streits, der daraus entstand, ging nicht nur das Bauerngut-Projekt samt weiterer Bauvorhaben den Bach runter, sondern auch Kempens Firma HMK pleite.

Der Schwabe beschuldigt nun die Rechtsaufsichtsbehörden, durch Untätigkeit Beihilfe zur Katastrophe geleistet zu haben: Mittweidas Landrat Andreas Schramm (CDU), den Chemnitzer Regierungspräsidenten Karl Noltze, Innenstaatssekretär Albrecht Buttolo. Kempen: "Die waren informiert und haben zugesehen."

Das sieht der Landtagsabgeordnete Karl Nolle (SPD) ähnlich. Er spricht von einer Allianz aus CDU-Politikern, die sich unprofessionell verhalten haben. "Man hat Fehler gemacht, wollte diese vertuschen, und dabei ist der Schaden immer größer geworden." Dass die Baulast durch die Stadt Penig mangelhaft bestellt worden ist, ist für Nolle offenkundig. Er mag darüber nur den Kopf schütteln: "Ich weiß nicht, ob es umgeschulte Frisöre sind, die dort die Aufsicht führen. Durch deren Fehler stehen dem Freistaat Schadenersatzzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe ins Haus."

Um Zentimeter geht es nun nicht mehr. Der simpelste Weg aus dem Dilemma scheint zwar der zu sein, Heribert Kempen das Wegerecht so einzuräumen, wie er es zum Bau seiner Wohnanlage benötigt. Aber der Schwabe sagt nein. "Dieser Zug ist abgefahren. Mein Käufer ist abgesprungen, das Fördermittelprogramm für solche Vorhaben beendet, meine Firma pleite. Was soll ich jetzt noch mit dem Weg?" Kempen will Geld sehen.

Und ausgerechnet jene Dokumente, die belegen sollen, dass Schadensersatz nicht nur des Baulöwen Wille, sondern vielleicht unumgänglich ist, fehlen in der Akte, die aus dem Landratsamt nach Dresden gelangt ist. Dass es die problematischen Schriftstücke gibt, ist indessen erwiesen. Heribert Kempen übermittelte seine komplette Akte in zweifacher Ausfertigung an den Petitionsausschuss. Dafür gibt es neben den Abgeordneten, die die Papiere entgegengenommen haben, vier Zeugen.

Innenstaatssekretär Albrecht Buttolo machte unlängst ebenfalls einen schlecht informierten Eindruck. Kempen, sagte er vor dem Ausschuss, sei ja nicht mal im Besitz einer Baugenehmigung für das fehlgeschlagene Projekt. Daraufhin hielt ihm die Abgeordnete Bretschneider das angeblich nicht existierende Schriftstück unter die Nase.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Klaus Leroff, hat sich offenbar um einen Vergleich mit Kempen bemüht, der mangels Kompromissbereitschaft des Peniger Bürgermeisters jedoch nicht zu Stande gekommen sein soll. Offiziell bestätigt Leroff nur "Gespräche mit Kempen, seinen Anwälten und der Stadt" und zieht sich auf die Verteidigungslinie des Innenministeriums zurück: Der Streit sei eine Sache zwischen Eulenberger und Kempen; wer Recht habe, müssten Gerichte entscheiden.

Wolfgang Peitz, ein Wirtschaftsberater aus Dresden, der an der Vorbereitung eines Treffens zwischen Leroff, Buttolo und den Kempen-Anwälten mitgewirkt hat, erzählt eine andere Variante: "Es sollte tatsächlich um Schadenersatz gehen. Daraus geworden ist dann freilich ein lächerliches Abwehrgefecht."

(Damit fing alles an: Das Gehöft in Penig, das nie umgebaut wurde. Heute geht es um Millionen Euro. Foto: Klaus Ebert)

(Von Mario Ulbrich)

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