Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, Seite 3, 24.12.2015

Weihnachten in Sachsen - Im Land der Räuchermännchen

 
In Sachsen gibt es: die schönsten Weihnachtsbäume und die größten Weihnachtsstollen. Eine Winterreise. Von Holger Gertz

In Sachsen gibt es auch: die meisten Angriffe auf Flüchtlingsheime.
 

Weihnachtsland ist kein offizieller Ehrentitel, aber eine Kennzeichnung, auf die man mit gewissem Recht auch stolz sein kann. Also lässt sich der Freistaat Sachsen schon mal Weihnachtsland nennen, auf der Homepage der "Tourismus-Marketing Gesellschaft Sachsen" zum Beispiel, unter der mit leichter Hand gedrechselten Überschrift: "Weihnachtsland Sachsen - Glanzpunkte im Advent". Dort wird gleich der Dresdner Striezelmarkt als ältester Weihnachtsmarkt Deutschlands erwähnt, ein erster Hinweis darauf, dass das Weihnachtliche in Sachsen besonders weihnachtlich dann ist, wenn man es messen, wiegen, vergleichen kann. Die Schönheit einer Weihnachtstanne scheint wichtiger zu sein als ihre Bedeutung, und wenn die Fichte schief ist, schickt der Boulevard seine Weihnachtsreporter auf Strecke. "Im vergangenen Jahr lachte ganz Deutschland über den Dresdner Weihnachtsbaum."

Wenn es stimmt, dass die Competition zum Charakter der Leistungsgesellschaft gehört, dann sind das Weihnachtsland und die benachbarten Bundesländer aus der ehemaligen DDR längst die allergrößten Streber. Während olympischer Winterspiele rechnen die ostdeutschen Reporter und Funktionäre gern einen eigenen Medaillenspiegel für Sachsen oder Thüringen aus, der schon nach wenigen Wettkampftagen beeindruckender ausfällt als der gesamtdeutsche. Aus Sachsen kommen Nordisch-Kombinierte und Rodlerinnen, das Weihnachtsland ist auch ein Sportland, mit Tabellenführern und Titelträgern, wohin man schaut. Wobei man vor allem nach oben schauen sollte, nicht nur im Spielzeugdorf Seiffen, wo Ehrenfried über dem Panorama thront, fünf Meter und zwölf Zentimeter, größter Räuchermann der Welt. 208 Millionen Sultaninen wurden 2013 im Teig des weltgrößten Stollens vergraben, und von den 5500 Nussknackern im Nussknackermuseum von Neuhausen ist einer zehn Meter hoch, auch das ist Weltrekord.

Das Land der Rodlerinnen und Schwibbögen ist auch das Land, dessen Bürger sich schwere Gedanken darüber machen, dass sie ihre Bonuspunkte im Baumarkt nicht mehr einlösen können, weil auf dem Gelände eben jetzt Flüchtlinge wohnen. Es sei denn, man fackelt die Buden ab, dann kommen die Flüchtlinge ja vielleicht gar nicht. Insgesamt gab es nach Informationen des "Mediendienstes Integration" in diesem Jahr allein in Sachsen 126 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, von bundesweit 560 Fällen.

Sachsen, Land der Räuchermännchen.

Nach dem dritten Advent steht auf dem Theaterplatz von Dresden mal wieder Lutz Bachmann und predigt seinen Pegida-Spaziergängern, es ist Montag, und Bachmann hat ein Taschentuch, mit dem er sich gelegentlich durchs Gesicht wischt. Am Rand des Platzes, vor dem Café Schinkelwache, stehen zwei Tannenbäume; geschmückt, aber nicht rekordverdächtig. Es ist dann nichts Neues, was Bachmann sagt, aber man fühlt sich trotzdem wie mit bitterer Brühe ausgegossen, wenn man das Ganze vor Ort zum ersten Mal live mitbekommt. Die harten Jungs hier auf dem Theaterplatz und weitere Menschen mit verkarsteten Gesichtern, und auch solche, die gar keine Sonne brauchen, um braun zu werden. Bachmann ist spürbar der Nussknacker ihrer Herzen, in seinem von Bartschatten umspielten Schlund verschwindet jedes Argument der Gegner, und dann beißt Bachmann kurz drauf rum und kübelt am Ende Zermalmtes zu seinen Leuten runter, gut Vorgekautes. Damit die besorgten Bürger nicht noch zusätzlich beschwert werden. So funktioniert sein Reden.

Und dann erwacht der Chor der Engel, und Bachmann hört, wie es lieblich schallt: Lügenpresse!

"Entgegen den klaren Aussagen des sächsischen Tourismusverbandes und diverser Händler der Weihnachtsmärkte schreibt heute wieder ein journalistischer Tiefflieger irgendwas von angeblicher Schuld von Pegida an angeblichen Umsatzrückgängen", ruft also Bachmann, und der Begriff Tiefflieger ist die Initialzündung für die innere Festbeleuchtung der Gemeinde da auf dem Platz, der Chor der Engel erwacht, und Bachmann hört, wie lieblich es schallt: Lügenpresse! Lügenpresse!

Er bleibt im Thema, Weihnachten, er sagt: "Ich für meinen Teil bin der klaren Ansicht, dass montags gerade wegen Pegida die Märkte voll sind. Denn Tausende Spaziergänger sind unterwegs und sorgen für Umsatz, indem sie vorher oder nachher etwas konsumieren." Wer nicht mehr kommt? Die spendablen Russen, denen ihr "Mütterschen Russland" (Bachmann) nicht respektvoll genug behandelt wird, außerdem verängstigte Deutsche, die "ganz Sachsen über einen Kamm scheren und befürchten, dass ihnen in Dresden ebenso eine Welle linksterroristischer Gewalt entgegenschlägt wie in der autonomen Faschistenhochburg Leipzig".

Wie jeder Prediger muss auch Bachmann damit leben, dass an ihn zwar viele glauben, aber lange nicht so viele wie an den Weihnachtsmann. Diese Erkenntnis treibt jeden Prediger zu Weihnachten in den Wagemut hinein. Bachmann redet jetzt von gewaltverzerrten und hässlichen Fratzen, von Hassreden und Trillerpfeifen, was aber keiner der fein tätowierten Mister Germanys im Dresdener Publikum auf sich selbst beziehen würde. Denn hässlich - und ohne diesen leisen Selbstbetrug könnte so ein Pegidist ja gar nicht überleben: Hässlich sind immer die anderen.

Bachmann kündigt für den darauffolgenden Montag an, Pegida werde einen "Weihnachtsliederspaziergang" veranstalten, auf der Neustadtseite, der Theaterplatz wird dann ja von Linken besetzt und geschützt sein. Die Pegida-Menschen haben im vergangenen Jahr schon Weihnachtslieder gesungen, und dass sie es in diesem Jahr wieder tun, zeigt, wie wenig sich entwickelt hat. Tatsächlich ist alles noch schlimmer geworden, Empathie ist nicht die herausstechende Eigenschaft des Weihnachtslandes. Den Sinn des Festes hat stattdessen die Dresdner Morgenpost in einer Intensivrecherche hervorgebracht, am 24. September nämlich kamen zuletzt auffällig viele Sachsenbabys zur Welt, in Sachsen wird also an Heiligabend offenbar geknattert. "Die schönste Bescherung erhalten die Sachsen nach der Liebe unterm Weihnachtsbaum", schreibt die Morgenpost und präsentiert Sachsens fruchtbarstes Fleckchen, Großnaundorf im Lausitzer Hügelland, zwischen Pulsnitz und Ottendorf-Okrilla. 17,3 Geburten auf 1000 Einwohner. Sachsenrekord.

In der Weihnachtspyramide läuft schon mal ein Schwarzer rum. Im sächsischen Alltag eher selten

Das Statistische Jahrbuch, das die Zeitung da geplündert hat, erzählt noch mehr. Der Anteil an Ausländern lag 2014 in Sachsen bei 2,9 Prozent. In den mehrstöckigen Weihnachtspyramiden, handgearbeitet im Erzgebirge, ist der Ausländeranteil leicht mal höher, da laufen manchmal auch die drei Weisen aus dem Morgenland mit, ein Schwarzer ist darunter, wie man ihn im sächsischen Alltag doch eher selten sieht. Und der sich außerhalb der Pyramide auch besser nicht blicken ließe, zumal seine Krone so sehr irritieren würde wie ein Smartphone in der Hand des Refugees. Das ja, aus Sicht des Gastgebers, ein Indiz dafür ist, dass die Flüchtlinge eigentlich ganz gut aufgestellt sind. Da hat der besorgte Bürger viel mehr Grund zur Besorgnis.

Leserdialog unter einem Artikel in der Bild über die schwachen Umsätze auf den Dresdner Weihnachtsmärkten.

Leser 1: "Wenn der Umsatz nicht stimmt, sollen die armen Händler halt Kopftücher verkaufen."

Leser 2: "Vielleicht werden im nächsten Jahr ja Schneekanonen aufgebaut."

Leser 1: "Im nächsten Jahr werden wir ganz andere Kanonen brauchen."

Beim Weihnachtsliedersingen von Pegida im vergangenen Jahr stand auch Claudia Greifenhahn nicht weit entfernt, aber es war dünn, was sie da hörte: "Dafür, dass da angeblich 18 000 Leute gesungen haben sollen, kam wenig Weihnachtsliederklang rüber." Sie sitzt im "aha", das ist ihr Vollwertrestaurant mit Weltladen gleich bei der Kreuzkirche, alles nachhaltig, aus kontrolliertem Anbau. Wie zynisch das ist, wenn Pegida "O du fröhliche" singt. Das Weihnachtsland: entkernt. Claudia Greifenhahn, 48, sagt: "Schon interessant, dass gemäß den Bräuchen christlicher Abendlandkultur etwas getan wird, obwohl die Kultur in vielen dieser Menschen gar nicht vorhanden ist. Weil sie die Texte nicht kennen, und selbst wenn sie die Texte kennen würden: Sie wüssten nicht, was sie bedeuten."

Sie trinkt einen Tee, sie ist erkältet und könnte grad nicht singen, wegen der Stimme, und wegen der Stimmung. "Ich kann nicht Stille Nacht, heilige Nacht singen und über eine Familie nachdenken, die auf der Flucht war. Und dabei die Augen verschließen vor dem, was passiert auf der Welt."

Sie stammt aus Sachsen-Anhalt, seit 1986 ist sie in Dresden. Dass man in der DDR von der Jahresendflügelfigur und sogar vom nicht geflügelten Jahresendmann gesprochen habe, kommt ihr wie eine Legende vor. "Ich habe immer Weihnachtsmann und Heiligabend gesagt. Ich war aber auch immer katholisch."

Claudia Greifenhahn hat vor Kurzem ihre Gedanken aufgeschrieben, ein offener Brief an den Dresdner OB. "Weihnachten, das Fest des Friedens, steht bevor. Es wird von Liebe, Achtung, Hilfe und Schutz der Schwächsten geredet und gesungen werden. Und gleichzeitig lassen wir es geschehen, dass Unfriede gesät wird, Montag für Montag", schreibt sie. "Ich mache mir nicht nur Sorgen um den Ruf unserer Stadt, ich mache mir Sorgen um uns alle." Es ist ein mutiger, wütender Brief, voller Fragen. Warum dürfen die mit ihren Spaziergängen die ganze Innenstadt lahmlegen? Warum dürfen die Montag für Montag säen, was Dienstag und Mittwoch schon aufgeht: "Asylunterkünfte brennen, Menschen werden niedergeschlagen." Warum kommen Montag für Montag Kunden in ihren Laden und wollen wissen, warum es in Dresden möglich ist, an zentralen Orten zu hetzen, aufzuwiegeln und zu polemisieren?

Sie bittet nicht darum, die Spaziergänge zu verbieten, aber: umzulenken. Claudia Greifenhahn sagt jetzt im Café, dieses Zersetzende sei im Prinzip das Schlimmste, dieses Hinnehmen und nur noch mit den Schultern zucken, wenn Pegidas Jahresendmänner jetzt Lieder singen. Diese zur Grundstimmung geronnene Resignation. "Einer der meist zitierten Sätze hier ist: Na ja, aber das darf man ja nicht sagen. Und das macht mir Angst, dass man es nicht schafft, in Ruhe das zu sagen, was man denkt. Da ist entweder Wut, Beschimpfung, Beleidigung. Oder: gar nichts."

Viel Lob für den Brief, natürlich viele Hassmails. Einem der hater hat sie geantwortet: "Ich wünsche Ihnen eine schöne Adventszeit." Da war der so perplex und irgendwie aus dem Konzept, dass er zurückgeschrieben hat, und sie haben sich dann wenigstens ausgetauscht. War vielleicht so was wie die Kraft der weihnachtlichen Grüße. "Oder, mal pathetisch gesagt: der Sieg der Liebe über den Hass." Claudia Greifenhahn lacht, kehlig und ein bisschen heiser. Die Erkältung.

Es gibt in ihrem Weltladen schöne Weihnachtssachen, eine Krippe aus Peru, neunteilig, keine Schafe, keine Esel, stattdessen ein fremdes Tier, größerer Hase oder kleineres Alpaka, Fellfarbe schneeweiß.

In Grimma ist der Weihnachtsmarkt schon seit Mitte Dezember zu Ende, auf dem Marktplatz steht aber ein großer Tannenbaum, und die kleinen Straßen drum rum werden von Lieferwagen befahren, die Wurzener Wildspezialitäten bringen, es gibt auch einen Wagen mit der Aufschrift "Getränke sind unser Bier". Grimma hat das schwere Hochwasser überstanden und sieht wieder sehr kuschelig aus, an Häuserfassaden hängen Sterne.

Im Kreismuseum Grimma allerdings weitet sich die Welt. Die Museumsdirektorin Marita Pesenecker hat Kaffee gemacht und erzählt von Weihnachtskrippen mit fremden Tieren drin. Sie sammelt Krippen von überall, 300 hat sie, einige davon werden gerade in Pirna ausgestellt. Das Alpaka aus dem Weltladen in Dresden? Sie sagt, es könnte auch ein Lama sein.

Marita Peseneckers Sammlung hat weniger mit Gläubigkeit zu tun, sie interessiert sich für Volkskunst, Kunsthandwerk. "Die verschiedenen Menschen aus den verschiedenen Ländern stellen sich ja nicht das Christuskind in Bethlehem in den Klamotten der damaligen Zeit vor, sondern die holen sich die Geburt ins eigene Land, und ins Hier und Jetzt. Maria, Josef und das Christuskind sind gesetzt, alles andere ist variabel." Neapel zum Bespiel ist berühmt dafür, dass eine Krippe aus Hunderten Personen bestehen kann, die alle was mitbringen, Gans, Täubchen. Die Italiener sind davon überzeugt, dass der Mensch dafür geschaffen ist, sich zu versammeln, also versammeln sie auch gern viel Volk in der Krippe, kleine Menschen aus Holz oder Ton, es muss in der Krippe eng und warm sein.

Frau Pesenecker ist viel rumgekommen in Europa, auch wegen neuer Krippen, das Herumkommen weitet den Blick, vielleicht sensibilisiert es das Gehör. Warum singt ausgerechnet Pegida Weihnachtslieder? "Um das Heimatbewusstsein zu stärken und sich damit auch vom Fremden abzugrenzen. Denke ich. Wer sich noch nie damit beschäftigt hat, wie Weihnachten anderswo gefeiert wird, der denkt eben: Das gehört ausschließlich zu unserer Kultur. Und das ist natürlich kompletter Quatsch."

Marita Pesenecker sagt, mit nüchternem Blick auf die Stadt: "Der christliche Hintergrund ist für die meisten hier in der Region nicht da, als Atheist hat man wenig Beziehungen zur Geburt Christi und dergleichen." Und, mit klarem Blick auf den Erdkreis: "Auch da, wo es keine christliche Tradition gibt, ist es modern, Weihnachten zu feiern. Gern auch mit Schnee-Imitaten in den warmen Ländern. Es ist ein Hype geworden, in der ganzen Welt."

Auf dem Weg zum Bahnhof Grimma kommt man an der Piercing-Welt vorbei, Leipziger Straße, und die Piercing-Welt hält ein irres Angebot bereit: Der Weihnachtsmann bestimmt den Preis. Man muss aus einer Auswahl von Schoko-Weihnachtsmännern blind einen herausgreifen, an dessen Mantel steht dann, was das Piercing kostet, die Schmerzgrenze von 24 Euro wird nicht übertreten. Der Weihnachtsmann als Kassenwart des stechenden, durchbohrenden Gewerbes, der Weihnachtsmann ist einer, der in jedermanns Auftrag unterwegs sein kann. Im Weihnachtsland herrscht Unverbindlichkeit, was die Bedeutung von Weihnachten angeht, das erklärt manches.

Auch der Räuchermann raucht nicht für sich allein, er raucht für die Manufaktur, aus der er kommt. Wer je im Erzgebirge war, wird gesehen haben, wie fürsorglich es aussieht, wenn die Räuchermannmacher ihre Räuchermänner auf die Welt bringen und gleich ins Schaufenster stellen. Natürlich erkennt nicht nur der Experte Unterschiede. Die feinen Figuren aus den Kunstgewerbe-Werkstätten in Olbernhau: Es gibt den Easy-Rider-Weihnachtsmann, es gibt auch streng limitiert Johann Sebastian Bach und die Musiker von Rammstein. Den Ort des Rauchaustritts konnte sich jedes Bandmitglied selbst aussuchen. Bei Flake Lorenz (24 Zentimeter hoch, 12 Zentimeter breit) steigt der Rauch durch den Mund auf, bei Till Lindemann (25 Zentimeter hoch, 50 cm breit, wegen der Flügel) durch eine Öffnung im Nacken. Es sollte längst den Räuchermann Helmut Schmidt als Räuchermännchen geben, das ist jedenfalls der Wunsch vieler Sammler.

Räuchermännchen sind Sammelstücke, man kann sie hierhin stellen und dorthin, und man muss inzwischen in der Zunft auch damit leben, dass einige weiter nach rechts rausgeschoben werden. Ein Händler aus Seiffen verschickt welche, die ein Plakat hochhalten, man kann die Beschriftung frei wählen, zur Auswahl stehen unter anderen: "Dresden zeigt, wie's geht", "Dagegen!" sowie "Politik ist eine Hure". Und auf dem Weihnachtsmarkt Prager Straße, in Dresden, steht der Rauchermann vor einem "Wir sind das Volk"-Transparent. Er geht ganz gut, sagt die Verkäuferin.

Macht hoch die Tür, das Tor macht weit. Hier bedeutet das: Macht die Grenzen dicht

Adventszeit in Sachsen, im Erzgebirge, eine Kurzmeldung. Anfang Dezember wurde in Jahnsdorf ein Bus mit Asylsuchenden angegriffen. Die Stimmung, stand in der Zeitung, unter Berufung auf das Operative Abwehrzentrum, sei sofort aggressiv gewesen, Böller seien gezündet, die Flüchtlinge in Angst und Schrecken versetzt worden.

Was sagt Weihnachten den Leuten? Im Weihnachtsland Sachsen schweigt es jedenfalls besonders dröhnend. Tatsächlich sang aber am Montag nach dem vierten Advent der Dresdner Kreuzchor im Dynamo-Stadion, es sang auf dem Theaterplatz die Initiative "Herz statt Hetze" die Ode an die Freude, 4000 Leute waren da. Am Königsufer sang allerdings auch Pegida Weihnachtslieder vom Blatt, 7000 Leute: "Christ ist erschienen, uns zu versühnen." Davon singt man im Advent, macht hoch die Tür, die Tor macht weit, aber schon trat Siegfried Däbritz vom Orga-Team aus den Kulissen und sagte zum Oberthema hohe Türen: "Zuerst einmal müssen die Grenzen komplett dichtgemacht werden, koste es, was es wolle."

Bereichernd wären auch hier die wunderbaren Weihnachtslieder der Band Erdmöbel, die zwar einen DDR-Fantasienamen hat, aber in Westfalen und Köln verwurzelt ist. Erdmöbel singen, den Zuständen angemessen: "Ding ding ding dong/ ding ding dong/ klingelingelingdingdingdong/ Jesus weint schon." Erdmöbel singen auch: "Teufel, gib die Straße frei", dabei ist das Lied schon älter.

Und Claudia Greifenhahn sitzt bei ihrem Tee, eine Frau, die viel getan hat für Dresden in diesem Jahr, schon dadurch, dass sie diesen Brief geschrieben und das Schweigen mal etwas angeknackst hat. Draußen regnet es, es regnet hier ja sowieso öfter in diesem traurigen Advent. Sie schaut aus dem Fenster, sie lacht etwas heiser, sie hat eine Idee, und dann packt sie alles, die Zeit und das Leben, in zwei Sätze: "Die Menschen werden immer kälter, das Wetter wird immer wärmer. Ich hätt's gern umgekehrt."

URL: http://www.sueddeutsche.de/politik/die-seite-drei-weihnachten-in-sachsen-im-land-der-raeuchermaennchen-1.2795155

Karl Nolle im Webseitentest
der Landtagsabgeordneten: