Karl Nolle, MdL
ND - Neues Deutschland, 14.11.2002
Schwäbische Amigos im Innenministerium?
Der ADAC darf keine »Gelben Engel« fliegen lassen
Der ADAC klagt, weil Sachsens Innenministerium einen Bewerber um die Leipziger Luftrettung bevorteilt haben soll.
Rechtsanwalt Nikolaus Müller-Totzki, Vorsitzender des ADAC Sachsen, bekundet eine »Mischung aus Empörung und Traurigkeit«. Es ginge nicht um große Geschäfte, denn das Kostenangebot von 34 Euro je Hubschrauber-Einsatzminute sei die unterste Grenze und wirtschaftlich ein Nullsummenspiel. Es ginge auch nicht nur um Image-Fragen, sondern schlichtweg um Arbeitsplätze und Investitionen für Sachsen.
Das sächsische Innenministerium sieht sich nun mit dem Vorwurf konfrontiert, bei der Vergabe des Luftrettungsdienstes Leipzig geschummelt zu haben. Im Februar war dieser Dienst neu ausgeschrieben worden. Neben dem ADAC bewarb sich auch die Deutsche Rettungsflug-Gesellschaft DRF, die sich schon im Frühjahr zum Sieger erklärte, obgleich sie den zweiten geforderten Hubschrauber mit Sachsen-Anhalt teilen wollte und das Angebot des ADAC nach dessen Angaben von den Kassen als den Kostenträgern favorisiert wurde. Der ADAC klagte, doch das Verfahren wurde eingestellt.
Nun klagt der Automobilclub ein zweites Mal gegen Innenminister Horst Rasch. Denn am 28. Oktober erhielt man per Post die Nachricht, das Ministerium habe der DRF den Zuschlag erteilt. Wenige Tage später wurde wegen der großen Eilbedürftigkeit ungeachtet der vierwöchigen Einspruchsfrist auch noch Sofortvollzug angeordnet. Der ADAC versteht nicht, wie anders als über den Ausschreiber der Konkurrent das ADAC-Gebot erfuhr und warum er dieses am 5. September nach Aufforderung des SMI einseitig nachbessern durfte. 27 Euro je Flugminute seien jedoch ein »Mondpreis«, so Müller-Totzki, den auch die DRF sonst nirgendwo erreiche und spricht von »Sumpf« und »Affentheater«. Für eine Vorteilsnahme im Amt gebe es zwar keine Belege. Der sächsische ADAC-Vorsitzende spielte aber auf mögliche landsmannschaftliche Verbindungen an, denn weder in Baden-Württemberg noch in Sachsen mit seinen zahlreichen schwäbischen Beamten habe der ADAC je eine Chance gehabt.
Ministeriumssprecher Thomas Uslaub wies die Vorwürfe zurück. Das Verfahren sei rechtsstaatlich korrekt gelaufen. Für die AOK Sachsen ließ Sprecher Heinz-Werner Raske durchblicken, dass man auf Anbieter und Preise leider keinen Einfluss habe. Die AOK sei über die Vergabe noch nicht informiert. Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle stellte 17 Fragen an die Staatsregierung und verlangte ein Antikorruptionsgesetz. Eine Hauptverhandlung vor dem Verwaltungsgericht Leipzig erwartet der ADAC erst im Dezember.
(Von Michael Bartsch, Dresden)