Karl Nolle, MdL

Freie Presse Chemnitz, 22.11.2002

Rittinghaus sorgt für Affären-Klima

Wenige Monate nach der Sachsenring-Pleite erhebt der Sauerländer schwere Vorwürfen gegen Sachsens CDU
 
DDRESDEN/ZWICKAU. Ulf Rittinghaus, gescheiterter Vorstandschef der Sachsenring Automobiltechnik AG, hat sich nach einigen Monaten Abstinenz auf der sächsischen Bühne zurückgemeldet. Der den großen Auftritt liebende Manager holt dabei ein halbes Jahr nach der Pleite von Sachsenring zum Paukenschlag aus.
Ein vor allem auf seine Angaben gestützter Bericht der Hamburger Illustrierten „Stern“ soll den früheren sächsischen Wirtschaftsminister Kajo Schommer und die Landes-CDU als Spendentrickser entlarven.

Die Story ist einfach gestrickt: Kurz nach der Bundestagswahl 1998, der CDU war im Bund die Macht abhanden gekommen, soll Schommer Rittinghaus zu einer Spende aufgefordert haben. Als „Hausnummer“ soll Schommer fünf Millionen Mark genannt haben. Doch soviel wollte selbst Rittinghaus nicht in die politische Stabilität des Freistaates finanzieren. Deshalb sei es nach der Version des Unternehmers aus dem Sauerland zu folgendem Deal gekommen: Der Freistaat erhöhte die Beihilfe für die Übernahme der Chipfirma ZMD in Dresden um vier Millionen Mark auf 29 Millionen Mark. Rund drei Millionen davon spendete Rittinghaus dann in die Kampagne „Sachsen für Sachsen“, die nach Darstellung des Stern insgeheim von der CDU gesteuert wurde.

Schommer ist über diese Version bestürzt.In seiner ganzen Ministerzeit habe er keine Parteispende eingeworben, sagte er am Donnerstag. Der frühere Wirtschaftsminister kann sich erinnern, dass er bei einem Bankett nach einer Veranstaltung zum Thema „100 Jahre Automobilbau in Sachsen“ mit Rittinghaus über die verlorene Bundestagswahl diskutiert hat. Eher im Scherz habe er damals auch vorgeschlagen, doch fünf Millionen Mark an die CDU zu spenden. Doch irgendwelche Zusammenhänge mit den Verhandlungen zwischen der Landesregierung und Sachsenring um den Verkauf von ZMD habe es nie gegeben.

Schommers Version wird durch die Aktenlage in Dresden gestützt. Die Sächsische Staatskanzlei lud am Donnerstag zwar etwas distanziert zu einer Pressekonferenz ein. Es gehe um die gegen die „Biedenkopf-Regierung“ erhobenen Vorwürfe, hieß es, als sei die CDU jetzt eine andere Partei. Doch dann präsentierten Regierungssprecher Christian Striefler und Staatssekretärin Andrea Fischer vom Wirtschaftsministerium doch sehr einleuchtende Gründe für die Erhöhung der Beihilfen um vier Millionen Mark. Hauptgrund war ein Darlehen in gleicher Höhe mit dem die Bilanz von ZMD noch belastet war. Ursprünglich sollte es einfach nicht zurückgezahlt werden, doch dann stellte sich heraus, dass dies „fördertechnisch“ nicht möglich war. Folglich erhöhte man die Beihilfe auf 29 Millionen Mark. Das Darlehen wurde dafür von Rittinghaus und Co auch brav zurückgezahlt. Summasummarum hat also gar keine Erhöhung der Fördersumme stattgefunden. Rittinghaus muss wohl aus eigener Tasche gespendet haben.

Die Imagekampagne „Sachsen für Sachsen“, um die es bei der ganzen Geschichte geht, hatte sich im Juli 1999 als Bürgerinitiative präsentiert. Ulf Rittinghaus damals zum Start der Kampagne: „Der Jammerossi ist nicht mehr gefragt.“ Sein Herz ticke für Sachsen, deshalb würde er sich als Mitbegründer der Initiative für mehr Selbstbewußtsein in Sachsen einsetzen. Die Bürger des Freistaats sollten mit der Initiative von ihrer Leistungskraft und Lebensfreude überzeugt werden. Angeblich standen hinter dem Projekt Unternehmer, Sportler und Prominente aus Sachsen.

Dass offenbar eine Intrige gegen ihn in Gang ist, merkte Schommer vergangene Woche. Er war zu einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender MDR geladen. Zu dem Gespräch vor laufender Kamera gesellte sich ein Journalist, den er nicht kannte. Er stellte plötzlich Fragen, die mit dem eigentlichen Interview-Thema nichts mehr zu tun hatten. Der MDR hatte einen Stern-Kollegen eingeschleust.

Der bisher als äußerst vorsichtig und integer bekannte Schommer muss sich jetzt wohl auf eine Kampagne vorbereiten. Denn hinter Rittinghaus steckt ein ganzes Netzwerk von Persönlichkeiten, die auf der Medienklaviatur zu spielen wissen.

So ist der Sauerländer stellvertretender Aufsichtsratschef der WMP Eurocom AG. Im Vorstand sitzen Hans-Erich Bilges, früher Chefredakteur bei Gruner & Jahr, Hans Hermann Tiedje, früher Chefredakteur von Bild und Chefaufklärer der Möllemann-Affäre Günter Rexrodt, Schatzmeister der FDP. Ein kampagnenerfahrenes Team, das sich im Unternehmensprofil wie folgt darstellt: „Unsere Kernkompetenzen sind neben der Kommunikationsberatung die strategische und konzeptionelle Medienarbeit. Die Ergebnisse werden in den Medien umgesetzt.“ Der erste Paukenschlag hat gesessen. Mit welcher Zielrichtung der Schlag geführt wurde, ist allerdings noch nicht ganz klar.
(von Christoph Ulrich)