Karl Nolle, MdL
Dresdner Neueste Nachrichten DNN, 23.11.2002
ZMD-Beihilfe wird zum Fall für den Staatsanwalt
Anwalt: "Der Freistaat und die beteiligten Banken haben Sachsenring mit einem "getürkten Gutachten" zu Unrecht in die Insolvenz getrieben".
DRESDEN/ZWICKAU. Die ZMD-Beihilfen sind jetzt auch ein Fall für die Justiz: Die Staatsanwaltschaft Dresden hat bereits am Donnerstag Vorermittlungen wegen des Verdachts auf Vorteilsnahme und Veruntreuung von Haushaltsmitteln aufgenommen. "Wir werden voraussichtlich Anfang kommender Woche entscheiden, ob wir ein Ermittlungsverfahren eröffnen", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, Klaus Rövekamp, gestern auf DNN-Anfrage.
Der "Stern" hatte am Montag berichtet, dass Sachsens früherer Wirtschaftsminister, Kajo Schommer (CDU), dem damaligen Vorstand der Sachsenring AG (SAG), Ulf Rittinghaus, 1998 um eine Wahlkampf-Spende für die CDU-nahe Image-Kampagne "Sachsen für Sachsen" in Höhe von fünf Millionen Mark gebeten habe. Im Gegenzug habe der Freistaat beim Verkauf des Dresdner Chip-Werks ZMD die Beihilfen von 25 auf 29 Millionen Mark erhöht. Die Sächsische Landesregierung hat die Vorwürfe als "nach Aktenlage" unbegründet zurückgewiesen.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Gillo (parteilos) hat unterdessen vorgeschlagen, dem Rechnungshof als "unabhängige Kontrollbehörde", die schon viele Förderfälle geprüft habe, einzuschalten. "Hier liegt die notwendige Kompetenz", so Gillo. Er forderte ZMD, SAG und vor allem die früheren Sachsenring-Vorstände, die Gebrüder Rittinghaus, auf, mit dem Rechnungshof zu kooperieren und Einblick in ihre Akten und die eidesstattlichen Erklärungen zu gewähren. "So wird sichergestellt, dass die im Raum stehenden Vorwürfe und Behauptungen schnell, fair und unabhängig aufgeklärt werden", sagte Gillo. Das Kabinett werde voraussichtlich am Dienstag einen entsprechenden Entschluss fassen, sagte Regierungssprecher Christian Striefler. Derzeit sehe die Landesregierung "keine Veranlassung", juristische Schritte gegen Rittinghaus oder den "Stern" einzuleiten, fügte er hinzu.
"Nicht zufrieden" mit den von der Staatskanzlei vorgelegten "Entlastungen" ist die SPD-Landtagsfraktion. "Das kann ja wohl nicht einmal der Anfang von Aufklärung gewesen sein", sagte Fraktionschef Thomas Jurk. Die Fraktion verlange eine sofortige gemeinsame Sitzung von Haushalts- und Wirtschaftsausschuss des Landtags. Gebe es dabei keine umfassende Aufklärung, plädiere die SPD ebenso wie die PDS für einen Untersuchungsausschuss.
Auf Zeit setzt die Landesregierung offenbar auch, was die angekündigte Millionen-Rückforderung der Rittinghaus-Brüder im Zusammenhang mit dem ZMD-Kauf und der SAG-Insolvenz im Mai angeht (DNN berichtete). Zunächst soll eine außergerichtliche Einigung angestrebt werden, bekräftigte Rittinghaus-Anwalt Reiner Füllmich. Der Entwurf einer Klageschrift gegen Freistaat sowie die SAG-Hausbanken Commerzbank und Dresdner Bank ist laut Füllmich, der wegen zahlreicher Prozesse gegen Großbanken im Zusammenhang mit Drücker-vermittelten Immobiliengeschäften auch als "Robin Hood von Göttingen" bezeichnet wird, bereits im Entwurf fertig. Hauptvorwurf: Der Freistaat und die beteiligten Banken haben Sachsenring mit einem "getürkten Gutachten" zu Unrecht in die Insolvenz getrieben.
Für Verunsicherung und Verärgerung sorgt die jetzt eröffnete Schlammschlacht nach DNN-Informationen in den betroffenen Unternehmen SAG und ZMD. Zwar sind Teile des einstigen Zwickauer Imperiums bereits verkauft; darunter beispielsweise die Bremer Spezialfirma für Fahrzeugpanzerungen (früher: Trasco). Für das Kerngeschäft von Sachsenring, die Fahrzeugtechnik, steckt Insolvenzverwalter Bruno Kübler jedoch mitten in den Verkaufsgesprächen, auf die sich der Streit sicher nicht allzu günstig auswirken dürfte. Kübler war gestern nicht zu einer Stellungnahme bereit. Nach DNN-Informationen ist Thyssen gegenwärtig heißester Kandidat für das Sachsenring-Kerngeschäft.
Bangen auch bei ZMD: Nach dem Verkauf durch Sachsenring an die Global Asic-Gruppe im Dezember 2000 war Sachsenring dort Mehrheitseigner. Ulf Rittinghaus hat sein Aufsichtsratsmandat bei ZMD im September niedergelegt. Seit der SAG-Insolvenz hat nun auch dort Verwalter Kübler das Sagen. Jetzt muss das Dresdner Chip-Unternehmen fürchten, dass sich die Sachsenring-Schlammschlacht geschäftsschädigend auswirkt.
Im Zusammenhang mit der möglichen Verknüpfung von Kampagnen-Finanzierung und ZMD-Beihilfe hat auch eine leitende ZMD-Mitarbeiterin eine eidesstattliche Erklärung pro Rittinghaus abgegeben. Pikantes Detail: Die beiden sind liiert.
(von Annette Binninger)