Karl Nolle, MdL
Dokumentation- Rede der Abgeordneten Ulrike Bretschneider (PDS) im Sächsischen Landtag, 14.11.2002
Zur Petition 3/02898/8 ( Peniger Bauskandal) möchte ich meine Bedenken zum Ausdruck bringen und begründen.
Wer jedoch glaubt, durch Vertuschen, Falschaussagen oder Zurückhalten aufklärender Informationen sich selbst reinwaschen zu können, ist politisch in meinen Augen nicht tragbar.
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!
Zur Abstimmung liegen uns in der Drucksache 3/ 7236 auf 202 Seiten viele Einzel-und Mehrfachprobleme unserer Wählerinnen und Wähler vor – Petitionen.
Mit den uns zur abschließenden Beschlussfassung vorliegenden Berichten werden wir wieder Hoffnungen erfüllen oder zerstören, Hilferufe nach politischer Unterstützung erhören oder abweisen.
Die PDS-Fraktion hat zu einer ganzen Reihe von Petitionen eine andere politische Auffassung – die entsprechende Vorlage wurde Ihnen ausgereicht.
Zur Petition 3/02898/8 auf S. 88 der Drucksache möchte ich darüber hinaus meine Bedenken zum Ausdruck bringen und begründen.
Ich weiß nicht, ob Sie alle die juristischen Auslegungen verstanden haben. Wer jedoch mit dem in aller Öffentlichkeit bekannten „Fall Kempen“ bisher nicht konfrontiert war, wird in dieser Petition einen mehr oder weniger komplizierten juristischen Streit sehen. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich möchte Ihnen deshalb meine politische Sicht auf die Dinge vermitteln, denn wir sind hier nicht im Gerichtssaal sondern im Sächsischen Landtag.
Seinen Ursprung hat das Problem dieser Petition in einem Kaufvertrag zwischen der Petentin – einem Bauunternehmen – und der Stadt Penig.
Wie allgemein üblich wurden beim Verkauf eines kommunalen Grundstückes an den privaten Investor auch Auflagen sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer festgeschrieben. An diesen Auflagen entzündete sich ein jahrewährender Streit, der nicht nur kommunalen Unfrieden stiftete sondern auch großen politischen Schaden für die Region brachte.
Ich möchte jetzt hier nicht auf alle Details eingehen. Aber wenn im Bericht auf S.90 Mitte formuliert ist, um welche Fragen es nicht gehen kann ( die Staatsregierung hat diese also auch nicht betrachtet, schon gar nicht kritisch oder gar rechtsaufsichtlich), dann hat man aus dem mehrere Ordner umfassenden Material sehr wohl erkannt, wo die Petentin der Schuh drückt! Der letzte Satz des 1. Abschnittes „ ein konkretes Begehren wird nicht benannt“, wird an dieser Stelle meines Erachtens ad absurdum geführt.
Bei allen Beanstandungen der Petentin wird darauf verwiesen, dass es sich um zivilrechtliche Probleme handele. Das aber „Recht haben“ und „Recht bekommen“ in einem „Rechtsstaat“ nicht eins ist und die Zahl der Rechtsauffassungen von der Zahl der involvierten Juristen abhängt, wissen wir doch alle.
Wenn wir jedoch als Politikerinnen und Politiker die Probleme betrachten, dann gelten nicht nur die Gesetze sondern auch politische Regeln. Da geht es um politischen Anstand, um Glaubwürdigkeit öffentlicher Behörden sowie der Politik.
Wenn also eine Bürgerin oder ein Bürger einen Vertrag mit einer Kommune - also einem Bürgermeister oder einem Landrat abschließt, so muss sie oder er sich doch auch auf das Wort dieser Personen verlassen können. Sie sind schließlich nicht irgendwer, sondern „Amtspersonen“, denen ein erhöhtes Vertrauen entgegen gebracht wird. Daran darf es keine Abstriche geben. Der Verweis, man könne seine Ansprüche doch zivilrechtlich einklagen, ist eine Verhöhnung der Bürger.
Meine Recherchen zur Petition haben gezeigt, dass die Vertragspartner unterschiedliche Auffassungen darüber haben, wann die Auflagen aus dem Kaufvertrag zu erfüllen waren.
Die Petentin war der Meinung, dies hätte sofort nach Vertragsunterzeichnung zu geschehen. Damit steht sie nicht allein, denn alle Praktiker – Bauunternehmer, Stadtplaner und auch Vertreter kommunaler Ämter – haben mir eine solche Vorgehensweise bestätigt. Die Stadt Penig sah zur Erfüllung ihrer Auflagen keine Veranlassung. Sie kam diesen zögerlich und oberflächlich dann nach, als die Petentin die Kaufpreiszahlung verweigerte.
Nun haben Gerichte inzwischen geklärt, dass aufgrund eines schlecht formulierten Vertrages der Kaufpreis tatsächlich fällig gestellt werden konnte, ohne dass die Stadt ihre Auflagen erfüllt. Aber können wir das politisch absegnen?
Nun habe ich ja nicht viel dagegen, wenn auch mal ein Bürgermeister schlitzohrig ist. Wenn es der Kommune nützt und keinem schadet! Wenn die Entscheidung aber einen Investor, einen, der aus einer alten verfallenden Hütte, die keiner will, aus der keiner was macht und die alle stört, ein das Stadtbild eher verbesserndes Objekt machen will, in seiner Investition behindert, dann richtet er doch politischen Schaden an!
Und da ist keine Instanz in der Lage, das zu erkennen und den Bürgermeister darauf hinzuweisen? Auch der Landtag nicht?
Im Bericht zur Petition steht auf Seite 88 unten: „Beide Baulasten wurden durch das Landratsamt Mittweida bestellt und in das Baulastenverzeichnis eingetragen“.
Eine Frage konnte weder durch die Staatsregierung noch aus den Akten beantwortet werden: Wer hat wann und auf welcher Grundlage diese Eintragung vorgenommen?
Dass die eingetragene Baulast den vertraglichen Anforderungen nicht gerecht wird, haben ja nun fast alle, die eine ernsthafte Prüfung der Angelegenheit vorgenommen haben, erkannt.
Aber: Die Grundlage für die Eintragung fehlt. Sie ist einfach nicht da! Es gibt sie nicht! Somit gibt es auch keinen Schuldigen an einer falschen Eintragung!
(So einfach ist das bei der öffentlichen Hand!)
Als die Petentin im Rahmen eines Gerichtsverfahrens durch den Vortrag der Vertreter der Stadt erfuhr, dass es eine Baulast gäbe, und sie sich später beim Landratsamt danach erkundigte, wurde ihr ein Bescheid ausgehändigt, Jawohl, ein richtiger Bescheid mit Stempel und Rechtsbehelfsbelehrung! Auf dieser Grundlage stellte sie bei einer Vermessung vor Ort fest, dass die Zufahrt mit dieser Baulast nicht wie laut Vertrag zugesichert gewährleistet wird. Also ging sie zu dem Bescheid in Widerspruch. Fristgemäß! Sie formulierte in diesem Schreiben genau, wo wieviel m² ihrer Meinung nach fehlen.
Aber ein solcher Bescheid ist gar nicht zulässig! Also ist auch der Widerspruch hinfällig. Nur warum gibt es bis heute diesbezüglich keine Bereinigung des Vorganges durch das Landratsamt oder die Rechtsaufsicht ?
Was soll dann aber die Petentin jetzt mit dem Satz anfangen, ihr hätte allenfalls ein zivilrechtlicher Anspruch auf Ergänzung der Baulast gegenüber der Stadt zugestanden ? Dort hatte sie doch die fehlenden Meter eingefordert. Das ist ihr verweigert worden und auch alle folgenden Instanzen sahen keine Veranlassung, die Stadt auf ihre Pflichterfüllung hinzuweisen.
Ich habe nicht übersehen, dass in dem Satz das Wort „zivilrechtlicher Anspruch“ steht. Aber – meine Damen und Herren – es geht hier um etwa 5-7 m²! Ja sie haben richtig gehört – auf einem kommunalen Grundstück, welches in seiner Lage nie eine Bedeutung für die Stadt hat, außer, dass nur über selbiges die Anbindung des Grundstückes der Petentin an die Straße möglich ist, sollten statt der eingetragenen 3 x 4 m Baulast (die übrigens im Lageplan ein Dreieck darstellen) etwa 6 x 4 m eingetragen werden.
Und dafür sollen Gerichte bemüht werden? Kein Landrat, kein Mitarbeiter im Regierungspräsidium oder im Staatsministerium konnte politisch erkennen, dass es sich hier um eine Dimension handelt, die eigentlich ein Pförtner einschätzen kann?
Überall in den Kommunen des Freistaates werden Friedensrichter eingesetzt, um kleine Streitigkeiten schneller und unkomplizierter ohne lange teure Gerichtsverfahren zu klären.
Und wir verweisen wegen 10 m² Baulast auf den Zivilrechtsweg ?
Ich habe lange und ausführlich in der Angelegenheit der Petition recherchiert.
Befangenheit kann mir kaum jemand vorwerfen, denn alle Beteiligten sind bekennende Mitglieder der CDU.
Aber das ist mir bei Petitionen egal!
Als Mitglied des Petitionsauschusses wurde an mich ein Problem herangetragen, welches zu klären war. Für mich war es deshalb ein Fall, dem ich mein ganzes Engagement gewidmet habe, wie vielen anderen auch. Vielleicht etwas mehr, weil es um ein Stadt in meinem Heimatlandkreis, um das Landratsamt, mit welchem ich als Kreisrätin verbunden bin, und damit um Personen ging, mit denen ich ständig politisch zusammenarbeite.
Und wenn sich herausstellt, dass Fehler gemacht wurden, so ist dass zwar ärgerlich, aber menschlich! Wer jedoch glaubt, durch Vertuschen, Falschaussagen oder Zurückhalten aufklärender Informationen sich selbst reinwaschen zu können, ist politisch in meinen Augen nicht tragbar.
Ich kann dem Votum des Petitionsausschusses nicht zustimmen und bitte um Einzelabstimmung zur Petition.