Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 06.11.2002
Ermittlungen gegen Landrat verstärkt
Das Stollberg-Syndikat bröckelt - Hertwich muss sich am Mittwoch erneut den Fragen der Kreisräte stellen - Staatsanwaltschaft ermittelt "umfangreich" - Finanzbehörde wartet ab
STOLLBERG. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz hat ihre Ermittlungen gegen den Stollberger Landrat Udo Hertwich wegen Vorteilsnahme im Amt offenbar verstärkt. „Es sind umfangreiche Ermittlungen notwendig geworden“, erklärte Oberstaatsanwalt Bernd Vogel. Hertwich wird vorgeworfen, hinter dem Rücken des Kreistages ein Geschäft des kreiseigenen Krankenhauses mit einem befreundeten Unternehmer unterstützt zu haben.
Ein Landrat im Geflecht aus Filz und Geld
Im Landkreis Stollberg brennt die Luft. Ein gefährlicher Filz aus Politik und Wirtschaft liegt über der Region zwischen Chemnitz und Erzgebirge. Im Mittelpunkt des chaotischen Geschehens: Landrat Udo Hertwich, gegen den die Staatsanwaltschaft seit einiger Zeit wegen Verdachts auf Vorteilsnahme im Amt ermittelt. Hertwich sitzt aber nicht nur die Ermittlungsbehörde im Nacken, sondern auch der Kreistag, der am Mittwoch, 14.30 Uhr, zusammentritt. Im obersten Stock des Landratsamtes werden in einer öffentlichen Sitzung die Ergebnisse eines Untersuchungsausschusses vorgetragen, der sich über mehrere Wochen mit dem Stollberger Filz beschäftigt hat.
Das Krankenhaus
Auslöser der vielfachen Ermittlungsbemühungen ist der so genannte Stollberger Krankenhausskandal. Rückblick: Das Kreiskrankenhaus, Eigenbetrieb des Kreises, wird in eine gemeinnützige Gesellschaft umgewandelt. Diese Konstruktion macht es möglich, nichtmedizinische Teile auszugliedern und privaten Betreibern zu überlassen, was finanzielle Vorteile verspricht. Tatsächlich werden Küche und Fuhrpark ausgegliedert. Beides wird von einer Tochtergesellschaft mit dem Namen Atrium GmbH übernommen. Die Atrium-Gesellschaft gehört zu 51 Prozent dem Krankenhaus, die anderen 49 Prozent hält die „abis Wirtschaftsberatung & Verwaltung GmbH“.
Zu den Gesellschaftern dieser Abis-Gesellschaft gehört ein Mitglied der Unternehmerfamilie Müller, die mit dem Landrat eng befreundet ist, sowie der Sohn des Landrats, Jörg Hertwich. Hertwich junior wird zugleich Betriebsleiter der Atrium GmbH. Eingefädelt wird das Geschäft hinter dem Rücken des Kreistages, womit sich der Landrat eine Untersuchung des Regierungspräsidiums Chemnitz einhandelt. Regierungspräsidenten Karl Noltze leitet allerdings kein Disziplinarverfahren ein, erinnert aber den Landrat an seine Pflicht, den Kreistag zu informieren. Der Landrat reagiert und verordnet sich einen Teilrückzug. Der „Ausschuss zur Akteneinsicht“ bildet sich, der Kreistag bekommt Einblicke in die Geschäfte des Kreises. Außerdem beschließt der Kreistag im Juli dieses Jahres, die Anteile der Abis-Gesellschaft zurückzukaufen. Damit ist die Familie Müller wieder draußen. Auch der Sohn des Landrats, was seine Rolle als Gesellschafter betrifft, ist außen vor. Seinen Arbeitsvertrag mit der Atrium behält der gelernte Dachdecker.
Das Grundstück
Die juristische Seite der unappetitlichen Krankenhausgeschichte ist noch lange nicht geklärt. Aus moralischer Sicht aber hätte Hertwich das Geschäft mit der Atrium-Gesellschaft nicht hinter dem Rücken der gewählten Kreisräte einfädeln dürfen, verschaffte er doch sowohl einem Freund als auch einem Familienmitglied vorübergehend einen wirtschaftlichen Vorteil. Offenbar nicht ganz offen ging es auch bei einem Immobilenkauf zu. Auf dem Grundstück soll ein Pflegeheim entstehen, getragen von der Kreiskrankenhaus-Gesellschaft. Am 8. August beschließt der Kreistag, ein solches Pflegeheim zu errichten. Aber schon sechs Tage früher geht das Geschäft zwischen dem Kreiskrankenhaus und dem Unternehmen Basa Immobilien GmbH über die Bühne. Beim Notar erscheint für die Basa Immobilien ein Herr, der mit dem Namen „Müller“ unterzeichnet. Es sieht aus wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel: Was auch immer der Kreistag beschließt oder beschließen möchte - die Freunde des Landrats sind schon dagewesen.
Nach Informationen eines Oppositionspolitikers soll die Basa-Gesellschaft ein sehr gutes Geschäft gemacht haben. Das Krankenhaus, das ja dem Kreis gehört, bezahlte demnach 230.000 Euro für das Grundstück, das die Basa Immobilien GmbH angeblich für nur 240.000 Mark erworben haben soll. Im Landratsamt wollte man diese Informationen allerdings nicht bestätigen. Dem Aufsichtsrat des Krankenhauses sei die Summe von 240.000 Mark „nicht bekannt“, so die knappe Antwort auf eine Anfrage.
Die Firma
Viele deutsche Kommunen werden in den kommenden Jahren versuchen, einen Teil ihrer Aufgaben von privaten Betreibern erledigen zu lassen. Landkreise, Städte und Gemeinden erhoffen sich dadurch, Kosten - vor allem Personalkosten - zu sparen, die sie tatsächlich kaum noch bezahlen können. Für die privaten Betreiber ergibt sich daraus ein lukratives Geschäft, denn der Auftraggeber, die Kommune, ist ein Dauerauftraggeber. Schließlich müssen ja die öffentlichen Aufgaben etwa im Gesundheitsbereich oder bei der Abfallbeseitigung erledigt werden. Die Abis-Gesellschaft, die kurzfristig den Fuß im Krankenhausgeschäft hatte, verfolgte also ökonomisch gesehen eine kluge Strategie. Ihr Versuch, mit dem Kreis ins Geschäft zu kommen, ist keineswegs anstößig.
Problematisch aber ist die Verwicklung des Landrats in das Abis-Firmengeflecht. Ein Informant der „Freien Presse“ behauptet, Hertwich habe 1997 mit Stefan Müller eine Firma mit dem Namen „Trident Beteiligungsgesellschaft mbH“ gegründet - merkwürdigerweise nicht im Raum Stollberg, sondern in Stuttgart. Die Firmengründung muss recht heimlich über die Bühne gegangen sein, denn im Landratsamt ist davon nichts bekannt, da, so eine Sprecherin, „der Landkreis weder Gesellschafter dieses Unternehmens war noch ist“.
Eines der Ziele der Trident sei es gewesen, die „abis Verwaltungs- und Buchungsgesellschaft mbH“ zu erwerben, so der Informant. Die „abis Verwaltungs- und Buchungsgesellschaft mbH“ wiederum sei später zur „abis Wirtschaftsberatung & Verwaltung GmbH“ umgewandelt worden - dem privaten Gesellschafter der Atrium GmbH. Im November 2001 habe sich Hertwich aus dem Firmengeflecht zurückgezogen, gleichzeitig sei sein Sohn Jörg eingestiegen. Als Beweis für Hertwichs Teilhabe an einer Müller-Firma spielte der Informant der „Freien Presse“ die Durchschrift eines Formulars zu, das die Überweisung des Stammkapitals von Hertwich für die Trident belegt.
Der aufgelöste Beamte
Zu allem Unheil ist im Sommer dieses Jahres auch noch der Vorsteher des Stollberger Finanzamtes, Ekkhard Schenk, verschwunden. Ein Angestellter aus dem Finanzamt erinnert sich, dass Schenk, „der schon so manche Flasche Wein mit Stefan Müller und Udo Hertwich geleert“ haben soll, in der Karibik Urlaub machte und nicht mehr zurückkam. Die Familie Schenks ist inzwischen aus dem Kreis Stollberg weggezogen, ehemalige Nachbarn glauben zu wissen, er halte sich in Kuba auf. Die Oberfinanzdirektion in Chemnitz erkennt allerdings „keine Anhaltspunkte für eine nichtordnungsgemäße Amtsführung“. Deshalb gebe es auch keine dienst- oder strafrechtlichen Ermittlungen gegen Schenk. Er sei auf eigenen Antrag aus dem Dienst ausgeschieden - nicht mehr und nicht weniger.
Die Finanzbehörde, aber auch das Regierungspräsidium halten sich also zumindest öffentlich zurück und lassen den Dingen im Kreis Stollberg ihren Lauf. Fleißig ermittelt aber wird seit Monaten bei der Chemnitzer Staatsanwaltschaft. Sie hat den Landrat, der sich gern als Wirtschaftsförderer darstellt, im Visier und geht dem Verdacht der Vorteilsnahme im Amt weiter nach. Staatsanwalt Vogel: „Es sind umfangreiche Ermittlungen notwendig geworden. Das wird sich noch einige Wochen hinziehen.“
(Von Johannes Fischer)
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Kommentar von Karl Nolle:
"Eine Krähe hackt der anderen Krähe nicht die Augen aus" oder "die Fettaugen schwimmen immer oben"
Die Verfilzungen und mafiosen Strukturen im Landkreis Stollberg um den Landrat Udo Hertwich erinnern an seinen politischen Zwillingsbruder, an den mit "Mittweidaer Landrecht" agierenden Landbonzen Schramm aus Mittweida, der Spitze einer CDU-Amigo-Seilschaft, bei denen Nichtverfolgung von Betrug, Rechtsbeugung, Untreue und Vorteilsname zum täglichen Standardrepertoire gehört.
Der schwarze Filz jahrzehntelanger, absoluter, nicht kontrollierter Mehrheiten in den Gemeinden, Kreisen und im Land hat ein Schweigekartell von sich selbst gegenseitig beaufsichtigenden und rechtsaufsichtlich kontrollierenden Biedermännern geschaffen, die sich durch Wettbewerb im "unter den Teppich kehren" gegenseitig übertreffen. "Eine Krähe hackt der anderen Krähe nicht die Augen aus", heißt es im Volksmund, das gilt besonders für diese Parteikrähen der CDU die ihr Blockflötengekrächze und das Plattmachen von Andersdenkenden und Aufmüpfigen schon im sozialistischen Arbeiter und Bauernstaat geübt haben.
So der schon 1984 talentierte damalige CDU Kreisschulungsreferent Dr. Andreas Schramm, der als "zuverlässiger Bündnispartner der Partei der Arbeiterklasse" mithalf die neue, "wahrhaft demokratische Ordnung des Sozialismus zu gestalten und die sozialistische Staatsmacht zu festigen."
Wie heißt es, "Die Fettaugen schwimmen immer oben".
Die Reihe über solcher Art schwarze Landbarone wird fortgesetzt.(siehe auch unter Stichwort: Penig, Kempen, Rossau, Gloss, Eulenberger)