Karl Nolle, MdL
exakt - Nachrichtenmagazin - mdr.de, 20:15 Uhr, 12.03.2002
Penig - Eine Stadt vor der Pleite
1996: Eine Männerfreundschaft wird beschworen.
Thomas Eulenberger, CDU, Bürgermeister Penig 1996
Heribert Kempen Bauunternehmer 1996
"Ich darf sie deshalb bitten, mit mir auf den Aufbruch in Penig anzustoßen. Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit."
Die selben Männer fünf Jahre später
Heribert Kempen, Bauunternehmer
"Der Bürgermeister der Stadt Penig hat nicht nur mein Lebenswerk, er hat die ganze HMK-Firmengruppe zerstört."
Thomas Eulenberger, CDU, Bürgermeister Penig
"Man muss sich manchmal überlegen, ob man Freund oder Feind ist. Hier habe ich mich für Feind entschieden."
Willkommen in Penig. Knapp 9000 Einwohner, idyllisch im sächsischen Muldental gelegen. Bis vor kurzem Sitz von Heribert Kempens Baufirma HMK mit 170 Angestellten. Die Firma ist pleite. Lediglich Ex-Prokurist Volker Böhme schaut gelegentlich noch nach dem rechten. Und dabei hatte eigentlich alles hoffnungsvoll angefangen.
Bauunternehmer Kempen kauft 1997 diesen alten Bauernhof von der Stadt, will sanieren, Wohnungen bauen. Problem: Kempens Anwesen ist nur über das Nachbargrundstück zu erreichen. Kein Problem, sagt die Stadt, und verpflichtet sich im Kaufvertrag, das Wegerecht zu garantieren. Nur: eben diese Wegerechte vergisst die Stadt im Grundbuchamt einzutragen. Folge: Kempen kommt nicht auf sein Grundstück und will das wertlose Gelände nicht bezahlen. Die Stadt strängt eine Pfändung an, Gerichte werden bemüht.
Mittlerweile dauert der Streit um 30 Quadratmeter Land schon vier Jahre. Die Akten füllen dutzende Ordner. HMK-Chef Heribert Kempen fühlt sich betrogen und hintergangen.
Heribert Kempen, Bauunternehmer
"Ein zerbrochener Traum ? könnte man die Situation von Penig beschreiben."
Tatsächlich kommt dann eins zum anderen: Investoren für die Wohnanlage kündigen schon geschlossene Verträge und verlangen Schadensersatz. Banken drehen den Geldhahn zu. Andere Projekte, wie etwa das Markt-Center in Penig, werden mit in den Strudel gezogen. Schließlich die Pleite. An der Bürgermeister Eulenberger sich gänzlich unschuldig wähnt. In seiner Stadt, so meint er, geht alles seinen gesetzlichen Gang.
Zwei Jahre lang hat sich die Stadt Zeit gelassen, dann wurde endlich ein Wegerecht eingetragen. Theoretisch. Ex-Prokurist Volker Böhme steckt die jetzt verbriefte Zufahrt ab. Das Problem dabei: praktisch ist der Weg nicht zu gebrauchen. Wenn man sich anstelle des Absperrbandes einen Zaun vorstellt, den der Nachbar jederzeit bauen dürfte, sieht man: mit normalen Autos kommt man hier nicht rein.
Mittlerweile sind die Kontrahenten bis aufs Messer verstritten. Bürgermeister Eulenberger bezeichnet seinen Widersacher im Peniger Amtsblatt aus gesundheitlichen Gründen als "komplett verhandlungsunfähig". Eine Formulierung, die als "geistig unzurechnungsfähig" missverstanden werden kann. Befand auch ein Gericht.
Die Stadt hat noch andere Probleme mit ihren Grundstücksgeschäften.
Hier, auf dieser Fläche, wollte ein Architekt eigentlich ein Altersheim bauen. Das Projekt ist geplatzt. Grund: die benachbarte Papierfabrik hat eine Ausnahmegenehmigung, nach der sie Tag und Nacht mit erhöhtem Lärmpegel produzieren darf. Ein Umstand, den die Stadt aus Sicht des Investors einfach verschwiegen hat.
Josef Stöhr, Architekt
"Von der Stadt Penig fühle ich mich regelrecht hintergangen und betrogen."
Architekt Josef Stöhr will auf Schadensersatz klagen.
Josef Stöhr, Architekt
"Das wird eine Summe von rund 10 Millionen DM sein."
Und auch Heribert Kempen will von Penig jetzt richtig Geld sehen.
Heribert Kempen, "Das sind derzeit 56 Millionen DM."
Die Situation läuft auf ein Ende mit Schrecken hinaus. Wirtschaftsberater Wolfgang Peitz kennt den Vorgang seit einem halben Jahr. Aus seiner Sicht ist die Rechtslage eindeutig gegen Penig. Nur noch die Politik kann die Notbremse ziehen.
Prof. Wolfgang Peitz, Wirtschaftsberater
"Penig sollte unter Zwangsverwaltung gestellt werden, die Stadt wird hohen Schadensersatz zahlen müssen."
Sollten die geprellten Investoren mit diesen Schadensersatzansprüchen Erfolg haben, stürzt die Stadt in eine finanzielle Katastrophe. Eine Katastrophe, die ihren Ursprung in 30 Quadratmetern Land hätte. Auf Wiedersehen in Penig.
http://www.mdr.de/exakt/archiv/117795.html