Karl Nolle, MdL
Freie Presse - Rochlitzer Zeitung, 24.03.2002
Grundstücke mit Macke
In Penig fand nicht nur der Bauunternehmer Kempen sein Investorengrab
PENIG. Es ist eine von diesen ehrenrührigen Geschichten, wie sie auf der Straße hinter vorgehaltener Hand erzählt werden. 1993 soll es passiert sein, auf einer Toilette des Getriebewerkes in Penig. Ein Gespräch unter Arbeitskollegen. „Falls ich gewählt werde“, soll der eine gesagt haben, „kriegst Du das Kulturhaus nicht.“
Der Mann, der diese Warnung angeblich ausgesprochen hat, ist der Schlosser Thomas Eulenberger, der ein paar Wochen später zum Bürgermeister der kleinen Stadt im Landkreis Mittweida wurde. Eulenberger hat die Wahl gewonnen, und der andere hat das Kulturhaus tatsächlich nicht bekommen. Dieser zweite Mann war Gerhard Friedemann, dessen Familie das Objekt kaufen und zum Sporthotel ausbauen wollte.
Das Gerücht entkräftet Bürgermeister Eulenberger (CDU) mit wenigen Worten: „Wir haben nie den selben Waschraum benutzt.“ Außerdem war Eulenberger 1993 Bürgermeister in Wechselburg. Er hielt sich nicht mehr im Peniger Getriebewerk auf: „Dieses Gespräch kann also nicht stattgefunden haben.“ Das Ergebnis aber befremdet schon. Anstelle der Familie ist die Stadt Eigentümerin des Kulturhauses geworden. Jetzt ist es geschlossen und verfällt.
Vielleicht würde über die Kulturhaus-Sache keiner mehr reden, wenn es den Fall Kempen nicht gegeben hätte. Heribert Kempen, ein Bauunternehmer vom Bodensee, der in Penig Häuser gekauft und saniert und eine florierende Firmengruppe gegründet hatte, die zeitweise 170 Mitarbeitern Lohn und Brot sicherte. Eine Erfolgsgeschichte, die durch eine banal klingende Meinungsverschiedenheit zur Skandalgeschichte geworden ist. Der Schwabe kaufte ein weiteres Grundstück von der Stadt Penig - samt einem vertraglich zugesichertem Wegerecht auf dem Nach-bargrundstück, das die Stadt zunächst ins Grundbuch einzutragen vergaß. Als der Akt nach einigem Hin und Her vollzogen war, kam ein Weg heraus, der in den Augen des Baulöwen hinten und vorne nicht reicht, während der Bürgermeister darauf beharrt, dass das, was gemessen wurde, breit genug für Kempens Zwecke ist.
Der Streit machte beide Männer zu Feinden, riss die Baufirma in den Abgrund, hinterließ mehrere Investruinen in Penig und schlägt Wellen bis ins Dresdner Innenministerium. Der Petitionsausschuss des Landtages ermittelt nun, ob Thomas Eulenberger Schuld an der Kempen-Misere trägt.
Die Untersuchung wird von der Landtagsabgeordneten Ulrike Bretschneider (PDS) aus Burgstädt geführt, die zu der Überzeugung gekommen ist, dass Heribert Kempen Recht hat mit seiner Kritik am Wegerecht, und dass in der Stadtverwaltung etwas faul ist. Denn in Penig sind nicht nur Kempens Projekte den sprichwörtlichen Bach hinuntergegangen. Es hat auch andere Investoren getroffen.
Zum einen ist da eben der Fall Friedemann. Die Familie hatte das Kulturhaus über Jahrzehnte bewirtschaftet und es nach der Wende am Leben erhalten. Fünf Millionen Mark hatte sie für ihre Pläne in petto. Aber: „Wir wollten das Kulturhaus selbst betreiben“, sagt der Bürgermeister. „Als Stadt brauchst du so etwas.“ Die Familie wurde als Betreiber vor die Tür gesetzt, doch der Schlüssel bleibt seit fünf Jahren herumgedreht.
Oder der Fall Lange. Eine weitere Peniger Familie. Langes kauften ein Haus von der Treuhand. Die Stadt stimmte dem Geschäft zu, doch als die Familie sanieren wollte, legte die Stadtverwaltung ihr Veto ein: Das Haus steht in einem Gebiet, das mittlerweile komplett abgerissen werden soll - auch das Lange-Haus soll weg. Bürgermeister Eulenberger bedauert: „Die Treuhand wusste, dass das Grundstück eine Macke hat.“ Dabei hätte er nicht zulassen müssen, dass die Familie das Haus bekommt. Die Stadt hätte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen können. Bei den anderen Häusern im Abbruchgebiet hat sie das inzwischen getan. Warum nicht auch bei diesem Haus? „Preisgründe“, sagt Thomas Eulenberger. „Damals war es zu teuer.“
Schließlich der Fall Josef Stöhr. Der Investor aus Bayern wollte in Penig ein Altenheim bauen. Er musste von Dritten erfahren, dass die Papierfabrik in der Nachbarschaft seit langem einen erhöhten Lärmpegel erzeugen darf - Lärm, der sich nicht mit einem Pflegeheim verträgt. Stöhrs Partner bei der Stadt hatten ihm dieses Detail verschwiegen. „Die haben von Beginn an mit falschen Karten gespielt“, klagt der Ex-Investor. „Dieser Bürgermeister macht nur Schaden.“ Thomas Eulenberger sieht es anders: „Stöhr hat keinen Betreiber für sein Heim gefunden. Diese Lärmsache schiebt er jetzt nur vor.“ Nichtsdestoweniger: Die Lärm-Story stimmt.
„Wir wissen noch nicht, ob persönliche Versäumnisse des Bürgermeisters vorliegen, oder ob er von seinen Mitarbeitern auf die falsche Fährte gelockt wurde“, sagt die Landtagsabgeordnete Bretschneider. Diese Aussage bezieht sich aber nur auf den Fall Kempen, denn nur dieser wird untersucht. Über die anderen Fälle wird jetzt aber wieder geredet.
(Mario Ulbrich)