Karl Nolle, MdL
Freie Presse Chemnitz, 04.10.2002
Die Goldgrube in Sachsens sündigstem Dorf - Rossau Landkreis Mittweida
Das Rossauer Gewerbegebiet war eine Maschine zum Gelddrucken - Porsche für die Chefs und Tantiemen für den Bürgermeister - Eine Geschichte aus dem wilden Osten
ROSSAU. Einst galt die idyllische Gemeinde im Landkreis Mittweida als das sündigste Dorf Sachsens. Einst, das war in den Jahren 1993/94. Rossau liegt direkt an der Autobahn A4. Im Ort gab es ein Nachtlokal namens „Club Prive“. Vorne in der Bar tanzten leichtbekleidete Mädchen. Hinten, in den Zimmern mit den roten Nachttischlampen, waren die Mädchen leicht und unbekleidet. Nach Rossau an der A4 zu kommen, war sozusagen doppelt verkehrsgünstig.
Rossau war Anfang der 90er Jahre das Boom-Dorf im Regierungsbezirk Chemnitz. Es hatte keine 2000 Einwohner, aber eine Radrennbahn, ein illegales Bordell und ein Regenrückhaltebecken, in dem man Wasserski fahren konnte. Die Pläne für einen eigenen Flugplatz lagen in der Schublade. Bürgermeister Horst Glöß erinnert sich gern an diese Zeiten zurück. „Es ging zu wie im wilden Westen, aber es wurde zugepackt. Könnten wir ein Fünftel des damaligen Geis-tes zurückholen, ginge es uns besser.“
Schlecht gelebt haben der Bürgermeister und seine Geschäftsfreunde damals wirklich nicht. Sie haben etwas geschaffen, für das der sündige Ort hätte berühmter werden können als für sein Nachtlokal: eine Maschinerie zum Gelddrucken. Wie diese funktioniert hat, das ist eine Geschichte aus dem wilden Osten.
Der Geist der Pioniere
Eigentlich wollte Josef Ball im Osten nur ein paar Autos an den Mann bringen. Der Inhaber einer Autovermietung in Soest war auf der Suche. In Rossau erblickte er eine riesige Fläche von Wiesen, die brachlagen; ein guter Platz, um Autos zu verkaufen. Oder ein Motel zu bauen. Ein Motel - das war der Traum des USA-Heimkehrers Joachim Westerhoff. Ein Motel mit einem großen Parkplatz für die vielen Autos, mit denen Leute wie Josef Ball handeln würden.
Ball und Westerhoff kannten sich aus ihrem Porsche-Klub. An einem Klub-Abend unter Sportwagenfahrern wurden ihre Träume zu einer Idee: Wir gründen eine Firma, die in Rossau ein Gewerbegebiet aus dem Boden stampft! Denn so etwas wollte Bürgermeister Horst Glöß für seine Gemeinde haben. Einen richtig großen Industrie-Park. Die Firma, die das Gewerbegebiet stemmen sollte, wurde nach dem Traum des Bürgermeisters benannt: Indu-Park.
Ball und Westerhoff brachten drei weitere Porsche-Fahrer an Bord: den Geschäftsmann Reinhold Lange, den Notar Volker Cramer und den Zahnarzt Hans-Joachim Schroeter. Die Gemeinde Rossau wurde sechster Gesellschafter in der Indu-Park GmbH, zu deren Ziel die Erschließung des künftigen Gewerbegebietes wurde.
Jahre später kamen Rechnungsprüfer des Landratsamtes Mittweida dahinter, dass die Verträge zwischen der Firma und dem Dorf so angelegt waren, dass Rossau den Erschließungsaufwand für das Gewerbegebiet allein zu tragen hatte. Sprich: Wird das Projekt ein Erfolg, verdienen alle sechs Gesellschafter. Wird es zum Flop, lag das Risiko bei der Gemeinde.
Goldrausch im Indu-Park
Doch es war die Zeit des wilden Ostens, die Euphorie der Wiedervereinigung lag in der Luft, und der Rossauer Industriepark floppte nicht.35 Hektar Gewerbeland wurden verkauft, 500 Arbeitsplätze entstanden. Die Pflanzenkläranlagen des Gewerbegebietes waren die ersten ihrer Art in Deutschland. Rossau war zum Schrittmacher geworden. Über Bürgermeister Horst Glöß erzählt man sich noch heute, dass er seinen Nachbarn aus Hainichen damals deklassiert habe. Der Hainichener Bürgermeister wollte auch ein Gewerbegebiet, kam aber nicht aus dem Knick.
Glöß ahnt, was in Rossau besser gemacht wurde. Mit Hilfe der westdeutschen Geschäftsleute habe man es geschafft, sagt er. „Die haben mit eigener Technik die Wiesen planiert. Schwere Fahrzeuge, die sie von der Armee hatten.“ Der Bürgermeister muss es wissen. Die Technik stammte aus dem Nachlass der Nationalen Volksarmee. Glöß selbst hatte das Gerät vom Militär für seine Gemeinde erhalten. Er überließ die Technik zum Nulltarif der Indu-Park GmbH. Die Firma wiederum gab sie der Sputnik Landschaftsbau GmbH. Die gehörte Mitgesellschafter Josef Ball, der die Fahrzeuge mit seinen Arbeitern besetzte und rund sieben Millionen Mark berechnete. Als die Technik ausgedient hatte, wurde sie nach Tschechien verkauft. Die Gemeinde, der die Fahrzeuge ursprünglich gehört hatten, erhielt nichts.
Bei der Erschließung des Rossauer Gewerbegebietes war eine hübsche Stange Geld zu verdienen. „Deshalb haben wir es ja gemacht“, gibt Joachim Westerhoff zu. Er selbst hatte nicht vorgehabt, länger als zwei Jahre in Rossau zu bleiben. Dann wurden fast zehn daraus. „Es war eine schöne große Summe, um die es hier ging“, sagt der ehemalige Indu-Park-Gesellschafter. „Aber wir wollten nicht nur abkassieren, sondern auch etwas für die Gemeinde tun.“ Nun, Rossau gewann den Wettlauf der Gewerbegebiete, und Bürgermeister Glöß bezeichnet das Gewerbegebiet heute als Top-Steuereinnahmequelle.
Die Nugget-Grube
Den Sinn, der hinter der Gründung einer weiteren Firma stand, hat Horst Glöß nie so recht verstanden, wie er sagt. „Das hatte irgendwelche steuerrechtlichen Gründe“, meint er. „Was solche Sachen anging, war ich damals doch ein Bub.“
Diese zweite Firma machte die erste für alle Beteiligten zur Goldgrube. Die erste Firma, das war die Indu-Park GmbH, die das Gewerbegebiet erschließen sollte. Sie hatte Land von 13 Grundbesitzern gekauft - für vier Millionen Mark. Die zweite Firma nannte sich Grundstücks-, Entwicklungs- und Verwertungs GmbH, kurz GEV. Sie kaufte die Indu-Park GmbH samt ihrer Wiesen für 15 Millionen Mark. Die sechs Gesellschafter der Indu-Park hatten sich auf diese Weise einen Anspruch auf jeweils 2,5 Millionen Mark Gewinn aus dem Firmenverkauf erworben. Aus vier Millionen Mark und einem Firmennamen waren 15 Millionen geworden.
Die Leute hinter der GEV, die bereit waren, den exorbitanten Preis zu zahlen, waren dieselben, die zuvor die Indu-Park gegründet hatten: Josef Ball, Joachim Westerhoff, Reinhold Lange, Hans-Joachim Schroeter und Horst Glöß für die Gemeinde Rossau. Notar Cramer machte seine Frau Maria zur GEV-Gesellschafterin.
Der geniale Finanz-Trick hatte aber einen Haken. Die Indu-Park-Inhaber besaßen nun zwar jeder ein Recht auf 2,5 Millionen Mark, doch weil die Indu-Park-Inhaber auch die GEV-Inhaber waren, hätten sie sich selbst auszahlen müssen. Sprich: Joachim Westerhoff schuldete Joachim Westerhoff Geld und so weiter.
Deshalb unterschrieben sich alle Beteiligten gegenseitig ein Papier, in dem sie auf ihre Ansprüche zunächst verzichteten. Auch Bürgermeister Glöß unterzeichnete. Die Rechnungsprüfer des Landratsamtes kritisierten diesen Schritt später harsch. Immerhin hatte der Bürgermeister damit auf Einnahmen verzichtet zuungunsten der Gemeinde und zugunsten seiner Geschäftspartner. „Verwaltungsrechtlich war das nicht ganz astrein“, sagt Glöß heute. „Unterm Strich aber war es okay. Es ist ja nichts passiert.“
Für eine Handvoll Dollar
Als der Verkauf der Gewerbeflächen Gewinne abzuwerfen begann, konnte die Goldgrube ihren Schatz ausspucken. Die Wiesen waren für fünf Mark pro Quadratmeter angekauft worden. Verkauft wurden sie für 40 bis 45 Mark. Westerhoff spricht sogar davon, dass teilweise 55 Mark erzielt worden seien. Dazu kamen zirka 15 Mark Erschließungsbeitrag pro Quadratmeter. Das ergab Gewinne. Zirka eine Million Mark erhielt jeder Gesellschafter aus dem Topf.
Dass es für die vollen 2,5 Millionen Mark am Ende nicht reichte, lag vielleicht auch an den Luxus-Ausgaben, die sich die Indu-Park GmbH leistete. Die hauptamtlichen Geschäftsführer Joachim Westerhoff und Josef Ball erhielten als Dienstwagen je einen Porsche gestellt. Die Wagen wurden für monatlich knapp 13.000 Mark bei der Autovermietung von Josef Ball gemietet, die auf diese Weise einen Zusatzverdienst erhielt. Zudem kassierten die Geschäftsführer monatlich um die 10.000 Mark für Fahrtkosten.
Bürgermeister Glöß als ehrenamtlicher Geschäftsführer bekam einen Toyota Camry. Für eine Urlaubsfahrt durfte er einen Honda Accord nutzen - zwei Wochen für 5000 Mark.
Der Frau des Bürgermeisters kaufte die Indu-Park GmbH einen gebrauchten Ford Fiesta bei Josef Ball. Kostenpunkt: 23.500 Mark. Ein Geschenk war das aber nicht. Es handelte sich um die durchgereichte Aufwandsentschädigung, die Horst Glöß zustand. Darüber hinaus verzeichnen die Bücher von Indu-Park mindestens eine Tantiemenzahlung in Höhe von 33.000 Mark an den Bürgermeister. Glöß freilich beteuert, nie Geld erhalten zu haben. „Nur die Arbeit habe ich gemacht“, sagt er. Und: „Über die Sache mit den beiden Porsche habe ich mich auch geärgert.“
Die Gewerbegebiet-Erschließungsfirma Indu-Park bezahlte auch die 250.000 Mark, die es gekostet hat, um aus dem Rossauer Regenrückhaltebecken eine Wasserskianlage zu machen. Josef Ball betrachtete die Anlage dann als sein Eigentum, weil er das dazugehörige Grundstück gepachtet hatte. Der Frau des Bürgermeisters bezahlte Indu Park 1420 Mark für einen gebrauchten Schreibtisch mit Stuhl. Das müssen wohl französische Barock-Möbel gewesen sein.
Showdown im Dorf der Rösser
Alles geht einmal zu Ende. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre warf die Erschließung des Gewerbegebietes immer weniger Geld ab. „Mein Geschäftsführergehalt habe ich nur in den ersten beiden Jahren bekommen“, sagt Joachim Westerhoff, „in den letzten drei Jahren nicht einmal Aufwandsentschädigung.“ Der wilde Osten war gezähmt, die alten Helden ritten in den Sonnenuntergang. „Die anderen hatten keine Lust auf Ost-Stress mehr“, meint Westerhoff. Josef Ball ist zudem schwer erkrankt.
Der klapprig gewordene Goldesel GEV/Indu-Park wurde an ein junges Unternehmen verkauft, die Thoma Bau GmbH. Und plötzlich geht nichts mehr, klagt der Bürgermeister. Statt den Rest des Gewerbegebietes zu erschließen, machen die Neuen Krieg. Das mag daran liegen, dass Horst Glöß heute die 1,5 Millionen Mark fordert, welche die Gemeinde aus dem Indu-Park-Verkauf an die GEV noch erzielen kann. Seinen alten Geschäftspartnern gegenüber hatte Glöß auf dieses Geld verzichtet. Mit den Rechnungsprüfern des Landratsamtes im Nacken macht er die Rechnung nun aber wieder auf. „Rechtlich zweifelhaft, wie vieles, was hier gelaufen ist“, urteilt Thomas Hellriegel, der neue Geschäftsführer von Indu-Park.
Sein Vorgänger Westerhoff hört sich ganz anders an. Seine Bewertung der Geschäftstätigkeit von Indu-Park schwankt zwischen „dreifach korrekt“ und „wahnsinnig korrekt“. Und Bürgermeister Glöß versteht die Welt nicht mehr. „Wer interessiert sich eigentlich für diese alten Geschichten? Die wirklich wichtige Frage ist doch: Wann wird endlich der zweite Teil des Gewerbegebietes gebaut?“Rossauer Kapriolen. Ein Regenrückhaltebecken, auf dem man Wasserski fahren kann, das gibt’s nur hier.
Das und anderes.
(Von Mario Ulbrich)
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Anmerkung von Karl Nolle: Die Maschine zum Gelddrucken funktionierte nur über immer wieder frisches Geld von der Sparkasse, was man sich in Abermillionenhöhe über Ausfallbürgschaften des Kreises ohne Zweckbestimmung holte und wieder zu mehren Millionen an die eigenen Gesellschafter als Darlehen ausreichte. Da waren fragwürdige Subventionen, Zahlungsanweisungen des Finanzministeriums über das Regierungspräsidum auf Grund lapidarer Pauschalabschlagrechnungen, aber wo die geprüften Verwendungsnachweise?
Jetzt aufgetauchte Verträge tragen die Unterschrift des stasibelasteten Bürgermeisters Glöß und des CDU Landrates Dr. Schramm, der rechtsaufsichlicher Dreh- und Angelpunkt der Dukatenesel-Goldgrube im Kreis war. Mit dabei ein Notar nebst Ehefrau, beide Gesellschafter. War ein Strohmann dabei und für wen war er's? Der Notar machte fleißig Beurkundungen entgegen dem Notarkodex für sich selber oder ließ sie von Kollegen machen. Dabei ein Rechtsanwalt und Notar, der in einem Prozess nebelte und vortrug, Glöß sei wirtschaftlich nicht am Hotel Rossau beteiligt, obwohl er wußte, welche enge wirtschaftliche Verbindung vom Gesellschafter Glöß (als Vertreter der Gemeinde Rossau) und dem Hotel Rossau bestand, wie Dokumente belegen.
Wie im aktuellen Schwarzbuch 2002 des Bundes der Steuerzahler beim Bauskandal in Penig gezeigt, soll die verdienstvolle Zusammenarbeit zwischen Bürgermeister Eulenberger und Landrat Schramm zum Millionenschaden des Investors und des Steuerzahlers wie geschmiert funktioniert haben, ebenso wie in Rossau zwischen einem erfahrenen Ex-Stasi-Bürgermeister und dem promovierten Landrat.
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