Karl Nolle, MdL
Frankfurter Rundschau, 25.04.2001
DAS PORTRÄT: Jeden Tag neue Fragen
Nolle, "das Trüffelschwein", bringt Biedenkopf in Bedrängnis
DRESDEN. Eigentlich sollte Karl Nolle die kleine sächsische SPD-Landtagsfraktion in der Wirtschaftspolitik verstärken. Das war jedenfalls der Plan, den der frühere SPD-Chef Karl-Heinz Kunckel hatte, als er Nolle im Frühling 1998 in sein Wahlkampfteam holte. In seinem Arbeitsgebiet ist der 56-jährige Dresdner seitdem wenig aufgefallen. Dafür auf anderem Felde.
Nolle hat nach einem fehlgeschlagenen Versuch, SPD-Oberbürgermeisterkandidat in Dresden zu werden, sein Leib- und Magenthema gefunden: Er will Ministerpräsident Kurt Biedenkopf zu Fall bringen.
Im Februar fing er an, kleine Anfragen zu stellen: Es geht um Biedenkopfs Dienstwohnung und Miethöhen, um die Dienstwagen und wer damit herumgefahren wurde, es geht um Hubschrauberflüge und geldwerte Vorteile, die zu versteuern sind. Seitdem ist nichts mehr wie es war in Sachsen. Biedenkopf ist in Bedrängnis geraten.
Nolle geht effektiv, aber auch "unappetitlich" vor, wie man selbst in der SPD zugibt. Erst mal werde gefragt oder behauptet, dann beobachtet, was dabei herauskomme. "Trüffelschwein" nannte ihn ein Fraktionsmitglied: Nolle wühlt und wühlt im Umfeld der Biedenkopfs in der Hoffnung, auf etwas zu stoßen. Und irgend etwas findet sich immer. Das Getratsche ist enorm nach elf Jahren Biedenkopf-Herrschaft.
Der Unternehmer, der vor zehn Jahren aus Hannover nach Sachsen zog und in Dresden ein Druckhaus übernahm, scheint die Biedenkopfs, ihr großbürgerliches Gehabe und das König-Kurt-Getue zutiefst zu hassen. Anders ist die Beharrlichkeit, mit der er diese "Privatsache" (Originalton SPD-Fraktion) betreibt, kaum zu erklären.
Er selbst bestreitet das nur schwach, spricht von der langen SPD-Tradition seiner Familie, dem Leiden der Eltern unter den Nazis. Und davon, dass ihn die arrogante Haltung der Landesregierung "radikalisiert" habe. Außerdem versteht er Opposition anders als seine ostdeutschen Kollegen: "Ich habe einfach eine andere Mentalität und pflege eine andere Form der Streitkultur." Nicht so harmonisch und konsensorientiert wie die Ostdeutschen, sondern viel härter. "Einer muss es ja machen", sagt Nolle. Oppositionsarbeit, das heißt für ihn die "weichen Stellen und das dünne Eis" zu finden.
Bislang hatte er nur geschimpft. Von der Arroganz der Macht gesprochen, die NS-Vergangenheit der Biedenkopf-Eltern angedeutet oder das Wort "Leibstandarte" verwendet, wenn er Biedenkopfs Mitarbeiterstab meinte. Das ist vorbei. Jetzt nutzt er die "feineren Instrumente" und stürzt sich per Anfragerecht auf die Details im Graubereich zwischen Dienst und Privatleben.
Die SPD-Fraktion hält sich zurück und lässt Nolle gewähren. Sogar in der CDU-Fraktion, die nach der Entlassung von Finanzminister Georg Milbradt immer noch konfus ist, gibt es Leute, die froh darüber sind, dass Nolle die "Drecksarbeit" macht und Biedenkopf unter Druck setzt.
Ansonsten ist die Regierung entsetzt darüber, mit welcher "Giftigkeit" Nolle vorgeht. Und ziemlich hilflos. "Den haben wir wirklich unterschätzt", sagt ein Regierungsmitglied. Als "Verunglimpfungsbeauftragten" der SPD-Fraktion beschimpfte ihn die CDU. "Halb so viel Verstand wie Bauch", beleidigte sie den schwergewichtigen Mann. Und so etwas vergisst der nicht. Nolle wird weiterbohren, zur Not bis 2004, dem Ende der Legislaturperiode. "Jeden Tag neue Fragen", kündigte er an.
(Bernhard Honnigfort)