Karl Nolle, MdL

Neues Deutschland, 18.05.2001

Wer wirft nun mit Lehm?

Opposition in Biedenkopf-Affäre uneins über Krisenmanagement
 
DRESDEN. Dass Sachsens Ministerpräsident derzeit in der Bredouille steckt, kann der Opposition nur Recht sein. Wie man aber mit der Krise umgeht - darüber sind PDS und SPD uneins.

Geheime Abstimmung - nicht mit uns, sagt Barbara Ludwig (SPD) und sorgt für Händereiben in der CDU-Fraktion. Die Wankelmütigen in deren Reihen hatte die PDS in der Landtags-Sondersitzung am Mittwoch zu einem heimlichen Votum gegen ihren Ministerpräsidenten animieren wollen - doch nicht einmal die SPD spielte mit. "Wenn man ein Ziel erreichen will", sagt Ludwig, parlamentarische Geschäftsführerin in ihrer Fraktion, und zitiert verfassungsrechtliche Bedenken, "dann darf man nicht den falschen Weg gehen."

Was der richtige Weg im Umgang mit der fortwährenden Krise des Regierungschef ist, darüber gibt es bei den sächsischen Oppositionsfraktionen derzeit höchst unterschiedliche Auffassungen. Zwar herrscht Einigkeit darüber, wohin die Reise gehen soll. Biedenkopf habe "in eklatanter Weise" die Regierungsfähigkeit verloren, konstatiert PDS-Fraktionschef Peter Porsch. Die Ära Biedenkopf ist vorbei, stellt auch sein SPD-Kollege Thomas Jurk fest. Und angesichts einer über die Nachfolgefrage heillos zerstrittenen Union hoffen beide Parteien, vom Abgang des Sachsens-Königs zu profitieren. Doch wie man auf den Machtverfall am besten reagiert - das ist umstritten.

Die SPD setzt auf fortwährende Diskreditierung des Regierungschef durch immer neue Enthüllungen. Vor allem der schwergewichtige Unternehmer Karl Nolle gilt der Presse als treibende Kraft bei der Aufdeckung von Putzfrauenaffären und Yachtskandalen. Zwar widerstrebt dessen Stil permanenter Sticheleien und markiger Anschuldigungen dem Politikverständnis einiger Genossen nur allzu offenkundig. Doch die Fraktionsspitze segelt mittlerweile mehr oder weniger enthusiastisch in Nolles Windschatten. Vergangene Woche kündigte Jurk einen Untersuchungsausschuss zu den Mietverhältnissen des Ministerpräsidenten an.

Mit dessen "überstürzter Einberufung" sei niemanden gedient, grantelte daraufhin Porsch. Dessen Fraktion gibt sich auffallend staatsmännisch. Nicht über "kleinbürgerlichen Geiz und die Peinlichkeiten, die daraus erwachsen", wollen die Sozialisten reden, sondern über "Sackgassen und Stagnation", in der sie den Freistaat sehen. Billigmieten und Bonusausflüge? Nicht das Schlimmste, sagt der Fraktionschef und referiert stattdessen Wirtschafts- und Sozialdaten: Sachsen gebe am weinigsten für Schüler aus, haben den niedrigsten Sozialhilfesatz und eine Arbeitsplatzlücke von 25 Prozent. Wenn Biedenkopf in die Wüste gejagt werden solle, dann wegen seiner "missglückten Politik". Für diese Feststellung eigens eine Sondersitzung des Landtags einzuberufen, grollte Jurk, sei ein "sonderbares Oppositionsverständnis".

Welche der beiden Strategien den größeren politischen Erfolg verspricht, ist offen. Das Ansinnen der PDS, Biedenkopf in der Sondersitzung zu kippen, bezeichneten Beobachter als unausgegoren: Die Christdemokraten konnten mit Verweis auf verfassungsmäßige Bedenken gegen ein einfaches Rücktrittsersuchen abwinken; erst nach der Debatte kündigte Porsch an, auch über ein konstruktives Misstrauensvotum nachzudenken. Doch auch die Nollesche Zermürbungstaktik wird als durchaus riskant bezeichnet. Porsch spricht von "Schlammschlacht" - und ruft damit ein bekanntes Couplet in Erinnerung: "Wer schmeißt denn da mit Lehm? Der sollte sich was schäm." Wie Claire Waldorff einst sang, könnten nicht wenige sächsische Wähler denken. König Kurt mag im Land an Popularität einbüßen - Königsmörder aber, stellt man in Dresden fest, möchten die Sachsen auch noch nie leiden.
(Hendrik Lasch)