Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 12.08.2002
Landesparteitag: Viel Beifall, wenig Erfolg
SPD lässt Parteichefin Constanze Krehl mit 69 Prozent im Regen stehen
Mehr als eine Minute klatschten die 134 Parteitagsdelegierten im Zwickauer Ballsaal „Neue Welt“ um die Wette, als SPD-Landeschefin Constanze Krehl ihre Rede beendet hatte. Und für einen Moment blitzte auf, was sächsische Sozialdemokraten seit Jahren schmerzhaft vermissen: die Jetzt-geht-es-los-Stimmung.
Dabei hatte Krehl nur aufgezählt, was ohnehin jeder weiß. Die Partei müsse deutlich an Profil gewinnen, endlich geschlossen auftreten und ein griffiges Programm vorlegen, um 2004 der CDU in Sachsen die Regierungsverantwortung abzunehmen. Die 45-jährige Informatikerin kündigte an, nach der Bundestagswahl eine Arbeitsgruppe für ein SPD-Regierungsprogramm einzusetzen. Schwerpunkte sollen die Themen Wirtschaft und Arbeit sowie Jugend und Bildung sein.
Lähmender Personalstreit hinter den Kulissen
Doch die anfängliche Begeisterung auf dem Parteitag, der unter dem Motto stand „Erneuerung und Zusammenarbeit“, verflog schnell. Denn die weiterhin umstrittene Frage, wer Sachsens Sozialdemokraten eigentlich zu diesen neuen Höhenflügen führen soll, wurde nicht offen angesprochen.
Statt dessen gab es gegen die in einigen SPD-Unterbezirken unbeliebte Parteichefin jede Menge Seitenhiebe. Der Zwickauer Andreas Weigel attackierte Krehl zunächst indirekt. Genossen, die den gegenwärtigen „politischen Lehnfrieden der Parteiführung“ stören, dürften nicht ausgegrenzt werden, verlangte Weigel, der von Teilen der Basis schon einmal als mögliche Krehl-Alternative gehandelt wurde.
In die gleiche Kerbe hieb Peer Oehler aus Dresden. Wie andere Unzufriedene verlangte Oehler, neue und kreative Leute an die Parteispitze — ohne jedoch Namen zu nennen. Die deutlichste Kritik kam schließlich vom Görlitzer SPD-Chef Mike Altmann. Der warf Krehl direkt Führungsschwäche und eine gefährliche Vogel-Strauß-Politik vor. Altmann warnte vor den Folgen. So gebe es beispielsweise in Görlitz nur 48 eingeschriebene SPD-Mitglieder. „Noch.“
Doch sechs Wochen vor der Bundestagswahl wurde der lähmende Personalstreit danach wieder unter den Teppich gekehrt. Auch vom SPD-Fraktionschef im Landtag und internen Krehl-Kritiker, Thomas Jurk. Der hatte pünktlich zum Parteitag per Interview Leipzigs SPD-Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee als neuen, starken Mann ins Spiel gebracht. Doch in Zwickau war davon nichts mehr zu spüren. Jurk hielt inhaltlich eine starke Rede, in der er sich und seinen Genossen für 2004 Mut machte. Ansonsten hielt er sich aber zurück, während der mit Bravo-Rufen begrüßte Tiefensee das Geschehen als Parteitagsgast vom Rand verfolgte .
Das Versteckspiel der Spitzengenossen war das Hauptthema auf den Fluren. Doch nur wenige äußerten sich so offen wie die Landtagabgeordnete Simone Raatz. „Ehrlicher wäre es gewesen, wenn sich ein Gegenkandidat gefunden hätte.“ So kam es bei der Wahl zum Landesvorsitz zum absehbaren Eklat. Als Einzelbewerberin erhielt Constanze Krehl nur 69 Prozent der Stimmen. In Anlehnung an Amtsvorgänger Karl-Heinz Kunckel, der einst ebenfalls auf diese Weise gedemütigt worden war, erklärte Krehl: „Ein ehrliches Ergebnis.“
Juso-Chef ohne neues Amt, aber mit Achtungserfolg
Ihre Stellvertreter, Rolf Schwanitz und Barbara Wittig, erlitten das gleiche Schicksal. Sie erhielten keine berauschenden Ergebnisse, wurden aber wieder gewählt. Einen Achtungserfolg errang dagegen Juso-Chef Martin Dulig, der sich auch um einen Vizeposten beworben hatte und nur knapp scheiterte.
Manches Parteimitglied scheint angesichts des Dauerstreits um Personen und Konzepte völlig ratlos. So kam der Vogtländer Unterbezirkschef Lutz Kätzel nach einer heftigen Diskussion mit dem Landtagsabgeordneten Karl Nolle, bei der man sich partout nicht auf eine Linie einigen mochte, nur noch auf eine Gemeinsamkeit: „Wir essen beide gern Fisch.“
(von Gunnar Saft)
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