Karl Nolle, MdL
DNN, 11.03.2002
Turbulenzen um Landesliste für Bundestagswahl
Dresdner SPD verstimmt
DRESDEN. Seit langem gärt es in der sächsischen SPD wegen des Führungsstils von Landeschefin Constanze Krehl, jetzt ist der Streit offen ausgebrochen. Grund für die heftigen Turbulenzen: Am Wochenende stellte Krehl die Listenplätze zur Bundestagswahl vor, vor allem die Dresdner Sozialdemokraten fühlen sich verschaukelt. Der im Parteirat präsentierte Vorschlag sei „kein gutes Signal", meinte die Dresdner Landtagsabgeordnete Marlies Volkmer, die auch für den Bundestag kandidiert, die Liste sei unausgewogen und müsse dringend überarbeitet werden.
Kritik gibt es gleich auf zwei Ebenen: Einzelne Regionen seien nicht angemessen berücksichtigt, und die Liste sei eine „geschlossene Gesellschaft" (Volkmer). Das liegt an der Reihenfolge. Bis Platz 9 finden sich nach den Vorstellungen von Krehl ausschließlich alte Bundestagshasen wieder, von Rolf Schwanitz (Planen) über Barbara Wittig (Lausitz) bis hin zu Gunter Weißgerber (Leipzig). Neue Kräfte sind erst danach platziert. Und die erste Dresdner Kandidatin, nämlich Volkmer, belegt gar Position zwölf - eine chancenlose Ausgangslage. Denn als sicher gilt alles bis Platz 8.
Krehl widerspricht der Kritik. Der von ihr erarbeitete Vorschlag sei eine „gute Mischung aus Fachkräften und Regionen" und nicht zufällig auf deutliche Zustimmung im Parteirat gestoßen. Zwar sei ihr bekannt, dass bei Dresdner Sozialdemokraten „die Sorge groß ist", aber die bisherige Arbeit der Berliner Abgeordneten sei gut - „warum soll ich sie abstrafen?“.
Nicht nur in der Landeshauptstadt wird das teilweise anders gesehen. Die Liste habe weniger mit Regionen zu tun als „mit der politischen Geografie", sagt der Leipziger SPD-Landtagsabgeordnete Cornelius Weiss ironisch. Klarer wird ein anderer SPD-Abgeordneter: Das Werk sei „rechtslastig", schon deshalb komme der als links geltende Unterbezirk Dresden zu kurz.
Das verweist auf einen alten Riss: den zwischen Landtagsfraktion und Parteivorstand. Immer wieder hatten sich Fraktionschef Thomas Jurk und die moderat agierende Krehl beharkt, zuletzt beim Thema Neuwahlen - Jurk war dafür, Krehl dagegen. Und nicht zufällig meint jetzt der Landtagsabgeordnete Karl Nolle, „dass es Grund genug gibt, die Liste zu überdenken".
Das letzte Wort freilich hat der Listenparteitag am 20. April. Doch schon vorher wollen die Dresdner den Aufstand proben – per außerordentlicher Vorstandssitzung am kommenden Donnerstag. Tenor: Sollte sich Krehl bis dahin nicht bewegen, gebe es „klare Worte".
(Jürgen Kochinke)