Karl Nolle, MdL

Lausitzer Rundschau, 06.12.2001

Biedenkopf denkt nicht an Rücktritt

Forderung der SPD wegen angeblicher Ausschuss-Lüge zurückgewiesen
 
Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag hat Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) zum Rücktritt aufgefordert. Nach Auffassung der SPD hat Biedenkopf bei seiner Vernehmung vor dem Paunsdorf-Untersuchungsausschuss im Frühjahr "nachweislich gelogen". Wer einen Untersuchungsausschuss und damit das Parlament belüge, könne nicht länger Ministerpräsident bleiben, sagte Fraktionschef Thomas Jurk (SPD) gestern in Dresden. Der Beschluss über die Rücktrittsaufforderung sei einstimmig erfolgt. Doch Biedenkopf denkt nicht an Rücktritt, heißt es aus der Staatskanzlei.

Der Paunsdorf-Untersuchungsausschuss versucht zu klären, ob es bei der Anmietung des Behörden-Zentrums in Leipzig-Paunsdorf 1993 eine unzulässige Einflussnahme durch Biedenkopf zu Gunsten seines Freundes und Investors, des Kölner Bauunternehmers Heinz Barth, gegeben habe. Als Beweis für die vermeintliche Falschaussage Biedenkopfs werden die Briefe Barths angeführt, die aus den Unterlagen des Ausschusses in der vergangenen Woche bekannt geworden waren. Darunter befand sich ein Schreiben Barths von 1993, in dem die Mietkonditionen für das Behördenzentrum festgehalten waren, und das einem Vermerk Biedenkopfs an seinen damaligen Finanzminister Georg Milbradt (CDU) fast aufs Wort glich. Damit habe Biedenkopf von seinem Freund klare Order erhalten, welche Flächen zu welchen Bedingungen anzumieten seien, heißt es bei der SPD, und er habe die von Barth durchaus eingeräumten Spielräume bei Miete und Kaufsumme zum Nachteil des Freistaates an der oberen Grenze festgesetzt.

"Aus damaliger Sicht" sei dem Freistaat damit ein Schaden von rund 30 Millionen Mark entstanden. Außerdem habe Biedenkopf gelogen, als der vor dem Untersuchungsausschuss bestritt, jenen Brief von Barth bekommen zu haben. Wer wesentliche Entscheidungen zum Nachteil des Freistaates treffe und das Parlament belüge, der habe das Recht, Ministerpräsident zu sein, gleich doppelt verwirkt, sagte Jurk.

Von PDS-Fraktionschef Peter Porsch wird die Rücktrittsaufforderung der SPD begrüßt. Die SPD sei mit siebenmonatiger Verspätung aufgewacht, sagt Porsch, der daran erinnert, dass die PDS bereits im Mai diesen Jahres den Rücktritt Biedenkopfs gefordert habe, was von der SPD seinerzeit nicht einstimmig unterstützt worden sei. Jetzt freue er sich, dass PDS und SPD in die gleiche Richtung drängten. Die PDS will Biedenkopf ein zweites Mal vor den Untersuchungsausschuss zitieren ­ unabhängig von einem eventuellen Rücktritt.

Der Ministerpräsident habe nicht gelogen, heißt es in der Staatskanzlei. Der Vermerk Biedenkopfs an Milbradt sei dessen eigene Intention gewesen und nur darauf habe sich die Aussage vor dem Untersuchungsausschuss bezogen, sagte Vize-Regierungssprecher Hartmut Häckel. Berichte, denen zufolge Biedenkopf beabsichtige, die Vertrauensfrage zu stellen, wurden von Häckel zurückgewiesen. Daran sei nicht gedacht. Eine solche Frage stelle nur jemand, der keine Mehrheit habe.