Karl Nolle, MdL

DNN, 13.08.1999

Die GrĂ¼nen sind mit dem Radl da - Sachsen voll im Wahlkampf

Umfrage der Wahlforscher: CDU hat Chance auf absolute Mehrheit
 
DRESDEN. Mitten in den Sommerferien starten die Parteien in Sachsen in die heiße Phase des Wahlkampfes. Bis zum 19. September haben die Kandidaten unzählige Termine zu absolvieren. Die ersten Hochglanzbroschüren und Plakate sind bereits auf dem Markt.
SPD-Herausforderer Karl-Heinz Kunckel startete als erster und reiste bereits im Juli übers Land. Als CDU-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf sich noch im Urlaub erholte, klapperte Kunckel schon Betriebe und Vereine ab. Der SPD-Mann müsse schließlich wegen seines geringeren Bekanntheitsgrades früher loslegen, kommentiert einer aus dem Lager des politischen Gegners.
Der Wahlkampfslogan der SPD lautet: "Einfach sozialer". Die SPD hat für den Wahlkampf Untersuchungen in Auftrag gegeben und herausgefunden, dass sie immer noch als Partei mit besonderem Ansehen in der Sozialpolitik gilt. Daher will sie ihr soziales Image in den Vordergrund stellen. Der "Ein-Mann-Veranstaltung der CDU" tritt Kunckel demonstrativ mit einem Team entgegen, dem unter anderem DGB-Landeschef Hanjo Lucassen und der Unternehmer Karl Nolle angehören.
Bei der CDU steht Biedenkopf ganz im Mittelpunkt des Wahlkampfes. "Das wird bei vielen so sein, dass sie uns wählen wegen Biedenkopf", erläutert CDU-Generalsekretär Steffen Flath. Die CDU, die als haushoher Favorit gilt, treibt allerdings die Sorge um, dass sie ihre Klientel nicht ausreichend mobilisiert. Die CDU setzt auf die nach ihrer Ansicht erfolgreiche Bilanz von neun Jahren Biedenkopf-Regierung. Sie verweist auf den Ausbau der Infrastruktur, die Gründung neuer Unternehmen, auf bedeutende Industrieansiedlungen, die geringe Staatsverschuldung und den schlanken öffentlichen Dienst.
Die PDS will im Wahlkampf am Wirtschaftswunder-Image von Sachsen kratzen. Die Schere zwischen Arm und Reich werde immer breiter, kritisiert Parteisprecher Hendrik Thalheim. Die Zahl der Arbeitslosen sei in den vergangenen Jahren auf 374 000 gestiegen, und über 100 000 Menschen lebten von der Sozialhilfe. "Sachsen gerecht werden" lautet das PDS-Wahlkampfmotto. Die PDS und ihr Spitzenmann Peter Porsch wollen sich hauptsächlich in den letzten vier Wochen ins Zeug legen.
Die FDP will einen "kurzen, knackigen Wahlkampf" führen. Ein harter Kurs in der Innenpolitik, ein Ausbau des Bildungssystems und eine stärkere Förderung des Mittelstandes sind die Themen der FDP unter ihrem Spitzenmann Rainer Ortleb.
Grünen-Bundessprecherin und Spitzenkandidatin, Gunda Röstel, will ihre Werbetour durch Sachsen nutzen, um umweltfreundliche Fahrzeuge aus sächsischer Produktion vorzustellen. "Ohne grün bleibt Sachsen schwarz" ist ihr Slogan. Auch ein Fahrradrennen ist geplant.
Doch trotz allem Abstrampelns: Wenn am nächsten Sonntag gewählt würde, hätte die CDU gute Aussichten, ihre absolute Mehrheit zu verteidigen. Das geht aus einer vom MDR-Fernsehen in Auftrag gegebenen Umfrage hervor. Demnach käme die CDU auf 54 Prozent, vier Prozent weniger als 1994. Die PDS würde 20 Prozent und damit einen Stimmenzuwachs von mehr als drei Prozent erreichen. Die SPD könnte ihr Potenzial von 1994 gerade halten. 16 Prozent würden sich für sie entscheiden. Bündnis 90/Die Grünen würden mit drei Prozent und die FDP mit zwei Prozent den Wiedereinzug in den Landtag erneut verfehlen.
"Biedenkopf dominiert klar das Geschehen"
Interview mit dem Infratest-Wahlforscher Heiko Gothe

DRESDEN. Fünf Wochen vor der Landtagswahl sind die Ergebnisse des Meinungsforschungsinstituts Infratest, welche der Mitteldeutsche Rundfunk vorgestellt hat, klar. Die CDU liegt mit 54 Prozent klar vorn. Die PDS kommt auf rund 20 Prozent, die SPD landet mit 16 Prozent abgeschlagen auf Rang 3. Grüne mit drei und FDP mit zwei Prozent kämen nicht in den Landtag. Die DNN fragt Infratest-Wahlforscher Heiko Gothe.
DNN: Gibt es nach ihrer Erfahrung überhaupt ein Bundesland, das einen so klaren Trend in der politischen Präferenz aufweist.
Gothe: Nein, selbst in Bayern hat der Ministerpräsident Stoiber nicht so gute Werte wie Biedenkopf in Sachsen. Denn bei einer Direktwahl der Spitzenkandidaten würden 81 Prozent der Befragten Biedenkopf wählen, nur sechs Prozent den SPD-Herausforderer Kunckel, selbst unter den SPD-Sympathisanten würden sich 72 für Biedenkopf entscheiden.
Nun stehen aber nicht Personen zur Wahl, sondern Parteien.
Das ist schon richtig. Aber bei Wahlen in den neuen Ländern sind Personen wichtiger als in den alten. In den neuen Ländern haben sich die soziologischen Milieus noch nicht so entwickelt wie in den 50 Jahren der Bundesrepublik. Die Bindung der Wähler an eine Partei ist wesentlich lockerer. So gewinnen Themen wie Personen ein größeres Gewicht. Und Biedenkopf ist es gelungen, als Landesvater anerkannt zu sein.
Inwieweit spielt der bundespolitische Trend eine Rolle.
Sicher bläst der SPD im Moment der Wind ins Gesicht, aber ich glaube nicht, dass sich am Ergebnis grundsätzlich etwas ändern würde. Beispielsweise kamen die Umfragen in Sachsen vor der Landtagswahl 1994 zu ganz ähnlichen Ergebnissen. 1994 erreichte die Sachsen-CDU mit 58,1 das beste Ergebnis, das die CDU bundesweit in der Geschichte der Landtagswahlen erreichte. Diese 58 Prozent wurden nur einmal von der CSU in den 70er Jahren übertroffen.
Wären solche Werte für die CDU auch ohne Biedenkopf denkbar?
Schwer zu sagen. Sachsens CDU hat insgesamt sehr gute Werte. In fast allen Fragen wird ihr höhere Kompetenz zugesprochen als der SPD. Aber das hat auch mit der Regierungspolitik in Dresden zu tun. Und damit sind wir wieder beim Regierungschef. Es ist ganz offensichtlich: Biedenkopf dominiert klar das politische Geschehen.
Interview: Ralf Jaksch