Karl Nolle, MdL

Das NachrichtenRadio MDR-Info, 5.oo - 9.oo h, 09.11.2001

"Ruhm und Ehre der Waffen SS"

Interview mit Karl Nolle zu Generalstaatsanwalt Schwalm
 
MDR-Info: Ich begrüsse den Sächsischen Landtagsabgeordneten Karl Nolle. Guten Tag, Herr Nolle. Das Justizministerium hat erklärt, es gäbe keine Anweisung des Generalstaatsanwaltes Schwalm im Zusammenhang mit den anhängigen Verfahren zur Naziparole "Ruhm und Ehre der Waffen SS". Was meinen Sie dazu?

NOLLE: Das wundert mich. Dies ist eigentlich nur eine Aussage, in welcher Form irgendwelche Einflussnahmen passiert sind. Es ist ja in Sachsen genügend bekannt, dass richtige Verfügungen selten erlassen werden, es werden statt dessen vom Generalstaatsanwalt oder vom Ministerpräsident Biedenkopf, Bitten ausgedrückt, wie in Paunsdorf, aber die werden dann natürlich überall administriert, also durchgesetzt wie Anweisungen.

Es ist für mich auch völlig nebensächlich, in welcher Form die Einflussnahme erfolgte. Wichtig ist der Skandal der damit zusammenhängt, dass diese Hetzparole, "Ruhm und Ehre der Waffen-SS", die für jeden Menschen mit Geschichtsbewusstsein und ein bisschen Kenntnissen aus der Nazizeit, untragbar ist, vom Generalstaatsanwalt aus Sachsen für nicht strafbar gehalten wird.

Und ich füge noch hinzu, wir haben jetzt die Einweihung der neuen Synagoge in Dresden und diejenigen die für Millionen ermordeten Juden und Millionen Umgebrachter Menschen in den KZ´s insgesamt und für das Niederbrennen der Synagogen die Verantwortung tragen, nämlich die SS und die Waffen SS, die werden hier hochleben gelassen und das unter den Augen und Ohren des Generalstaatsanwaltes, der nichts dabei findet, wenn von der Ehre dieser Verbrecher gesprochen wird. Es ist doch nicht entscheidend in welcher Form seine Einflussnahme war, nicht ob es ein Brief, ein Telegramm oder ein Fax war oder eine Anweisung oder sowas.

MDR-Info: Nun ist ja die große Frage, warum der Generalstaatsanwalt die Einstellung verlangt, auf welchem Wege auch immer. Haben Sie eine Erklärung?

NOLLE: Ich habe nur eine einzige Erklärung, er hat das Bedürfnis, die Arbeit los zu sein und die Verfahren los zu sein. Wir wissen, dass die Gerichte und die Staatsanwaltschaften notorisch überlastet sind und wenn man mit einem Schlag 253 Verfahren los wird, indem man irgend eine fragwürdige Entscheidung trifft, dann ist das doch Arbeitserleichterung.

MDR-Info: Nun ist das mit der Überlastung wirklich ein ernsthaftes Problem. Dann gibt es erneut eine Demonstration, da lassen sich die Schreier einen anderen Spruch einfallen und dann hat die Staatsanwaltschaft schon wieder 1000 Verfahren am Hacken. Das kann doch nicht ewig so weitergehen. Wie kommen wir da raus?

NOLLE: Das kann nicht ewig so weitergehen. Aber das liegt doch auch daran, dass man jeden kleinen Ladendieb, der mal Kaugummi für zweimarkfünfzig mitnimmt, genauso verfolgt wie andere Fälle. Und da sind natürlich die Staatsanwaltschaften mit solchen Verfahren voll. Das ist der Grund und dass man sich eben nicht über die Verhältnismassigkeit im klaren ist und damit eben nicht weiss, was wichtig und was nicht wichtig ist.

Es ist doch ein Skandal, dass da tausende von Nazis in Leipzig rummaschieren und solche Parolen skandieren dürfen, das ist doch der Skandal. Ich rege mich doch nicht so sehr darüber auf, dass irgend jemand Kaugummi klaut. Das ist zwar bedauerlich, aber wichtig sind doch die zentralen Fragen.

MDR-Info: Sie habe eine Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt, wie geht das jetzt weiter und was muss mit dem Generalstaatsanwalt passieren?

NOLLE: Ich habe 10 Fragen an den Generalstaatsanwalt Schwalm und den Justizminister Kolbe gestellt. Nämlich inwieweit sich seine Entscheidungen, seine Weisungen und seine Auffassungen tatsächlich stützen auf Rechtssprechung unabhängiger Gerichte und ob es zu dieser Parole, die angeblich nicht rechtswidrig ist, Gerichtsentscheidungen gegeben hat. Nach meinen Informationen hat es sie nicht gegeben.

Das gleiche gilt auch dafür, wenn er sagt, er hätte sich über die Rechtsauffassung mit Generalstaatsanwälten anderer Länder unterhalten. Da möchte ich wissen, welche Länder waren das, sind sie gleicher Meinung oder sind sie nicht gleicher Meinung und selbst wenn sie gleicher Meinung sind, ist es doch immer noch die Frage, warum müssen wir in Sachsen denn eigentlich nun gerade die Meinung vertreten, dass das nicht rechtswidrig ist.

Also das sind genug Fragen, die beantwortet werden können. Ich bin der Meinung, dass ein Generalstaatsanwalt, der bei so einem sensiblen Thema nicht in der Lage ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen und was hier getan werden muss, dass der überflüssig ist und dass der gehen muss.

MDR-Info: Danke, Herr Nolle.