Karl Nolle, MdL
Neue Presse, 16.05.2001
"Trüffelschwein" Nolle macht Jagd auf König Kurt
Ex-Wunstorfer bringt sächsischen Ministerpräsidenten Biedenkopf in arge Bedrängnis
DRESDEN. Nach der Miet- die Traumschiffaffäre – Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf steht unter Druck. Heute debattiert der Landtag über eine Rücktrittsforderung der PDS. Einer wird wohl wieder unbequeme Fragen stellen: der Ex-Wunstorfer Karl Nolle.
Für „König Kurt" kommt es heute dicke: Muss der 71-jährige sächsische Ministerpräsident zurücktreten; weil er sich im Amt persönlich bereichert hat? Das fordert die PDS. Die jüngsten Vorwürfe lauten, Biedenkopf habe kostenlos Urlaub auf der Yacht eines millionenschweren Baulöwen gemacht, dem er zuvor als Regierungschef geholfen hatte.
Biedenkopf könnte vielleicht ruhiger schlafen, gäbe es da nicht Karl Nolle. Der sollte eigentlich die kleine sächsische. SPD-Landtagsfraktion in der Wirtschaftspolitik verstärken. Das war jedenfalls der Plan, den der frühere SPD-Chef Karl-Heinz Kunckel hatte, als er Nolle im Frühling 1998 in sein Wahlkampfteam holte. Doch in seinem Arbeitsgebiet ist der 56-Jährige wenig aufgefallen. Dafür auf anderem Felde.
Nach einem fehlgeschlagenen Versuch, SPD-Oberbürgermeisterkandidat in Dresden zu werden, hat der Zwei-Zentner-Mann Nolle sein Leib- und Magenthema gefunden: Er will Biedenkopf zu Fall bringen. Im Februar fing er an, kleine Anfragen zu stellen: Es geht um Biedenkopfs Dienstwohnung und Miethöhen, um Dienstwagen und wer damit herumgefahren wurde, um Hubschrauberflüge und geldwerte Vorteile, die zu versteuern sind. Seitdem ist nichts mehr, wie es war in Sachsen, schreibt die „Frankfurter Rundschau".
Nolle geht effektiv, aber auch „unappetitlich" vor, wie man selbst in der SPD zugibt. Erst mal werde gefragt oder behauptet, dann beobachtet, was dabei herauskomme. „Trüffelschwein" nannte ihn ein Fraktionsmitglied: Nolle wühlt im Umfeld der Biedenkopfs in der Hoffnung, auf etwas zu stoßen. Und irgendetwas findet sich immer. Das Getratsche ist enorm nach elf Jahren Biedenkopf-Herrschaft.
Unternehmer Nolle, der vor zehn Jahren aus Hannover (er betrieb die Soak-Druckerei in Wunstorf) nach Sachsen zog und in Dresden ein Druckhaus übernahm, scheint die Biedenkopfs, ihr großbürgerliches Gehabe und das König-Kurt-Getue zutiefst zu hassen. Anders ist die Beharrlichkeit, mit der er diese „Privatsache" (Originalton SPD-Fraktion) betreibt, kaum zu erklären.
Nolle bestreitet das nur schwach, spricht von der langen SPD-Tradition seiner Familie, dem Leiden der Eltern unter den Nazis. Und davon, dass ihn die arrogante Haltung der Landesregierung „radikalisiert" habe. Außerdem versteht er Opposition anders als seine ostdeutschen Kollegen: „Ich habe einfach eine andere Mentalität und pflege eine andere Form der Streitkultur." Nicht so harmonisch und konsensorientiert wie die Ostdeutschen, sondern viel härter. „Einer muss es ja machen", sagt No!le.
Zuerst hatte er nur geschimpft. Von der Arroganz der Macht gesprochen, die NS-Vergangenheit der Biedenkopf-Eltern angedeutet. Jetzt nutzt er die „feineren Instrumente" und stürzt sich per Anfragerecht auf die Details im Graubereich zwischen Dienst und Privatleben. Die SPD-Fraktion lässt Nolte gewähren. Sogar in der CDU-Fraktion, die nach der Entlassung von Finanzminister Georg Milbradt immer noch konfus ist, gibt es Leute, die froh darüber sind, dass Nolle die „Drecksarbeit" macht.
Ansonsten ist die Regierung entsetzt darüber, mit welcher „Giftigkeit" Nolle vorgeht. Und hilflos. „Den haben wir wirklich unterschätzt", so ein Regierungsmitglied. Als „Verunglimpfungsbeauftragten" der SPD-Fraktion beschimpfte ihn die CDU. „Halb so viel Verstand wie Bauch", beleidigte sie den schwer gewichtigen Mann. Und so etwas vergisst der nicht. Nolle wird weiterbohren, zur Not bis zum Ende der Legislaturperiode 2004. „Jeden Tag neue, Fragen", kündigte er an.
(Bernhard Honnigfort)