Karl Nolle, MdL
DNN/LVZ, 08.01.2014
Langer Schatten eines Skandals
Ein Subventions-Fall aus der Zeit der Jahrtausendwende kommt das Land jetzt teuer zu stehen
Dresden (DNN). Ein Nachwende-Skandal kommt den Freistaat jetzt teuer zu stehen. Nach DNN-Informationen muss der Landtag demnächst das Geld für eine Rückzahlung an die EU in Millionenhöhe lockermachen — ein weiteres Kapitel rund um. die Qualifizierungsgesellschaft QMF, die vor Jahren bis in höchste Kreise der Landespolitik für Wirbel sorgte.
1999 schien alles in Ordnung. In der Qualifizierung für Mikroelektronik und Fahrzeugtechnik (QMF) wurden Mitarbeiter des Halbleiterherstellers ZMD aufgefangen, denen die Arbeitslosigkeit drohte. In den Folgejahren kam dieses Modell auch bei der Sachsenring AG zum Zuge. Die SAG hatte das konkursbedrohte ZMD 1998 vom Land Sachsen, erworben und war spätestens Ende 2000 selbst ins Straucheln geraten. Doch dann kam das böse Erwachen.
Als 2002 Ministerpräsident Kurt Biedenkopf samt seiner Ministerriege das Feld räumte und für Georg Milbradt (beide CDU) Platz machen musste, schauten neue Leute in die Bücher, Mitarbeiter machten sich Luft über fragwürdige Förderpraktiken int ,Ministerium. Anfang 2004 ging die neue Ministeriumsspitze um Ressortchef Martin Gillo in die Offensive. Der Fall landete beim Staatsanwaltschaft. Im Mai des Jahres marschierten 100 Beamte aus Staatsanwaltschaft und Polizei in 30 Objekte in sechs Bundesländern, ein QMF-Geschäftsführer und ehemals leitender Mitarbeiter aus dem Ministerium landeten zeitweie sogar im Gefängnis.
Nach Ansicht der Sonderermittlungsgruppe ”Ines" wurde bei QMF kaum qualifiziert, sondern die Mitarbeiter arbeiteten einfach bei ZMD und SAG weiter — allerdings bezahlt mit EU-Geldern. Für „Ines" ging es damit um Untreue und Subventionsbetrug. Zwischen 1999 und 2003 überwies der Freistaat rund 21,5 Millionen Euro an die QMF. Das Geld stammte teilweise aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF), teils aus der Landeskasse. Anfang 2004 forderte
das Land das Geld zurück, weil es nach Ansicht der neuen Ministeriumsspitze nicht hätte genehmigt werden diirfen. Die QMF ging pleite.
Das besonders Brisante: Um die QMF rankte sich die seltsame Finanzierungsgeschichte der Kampagne „Sachsen für Sachsen" vor der Wahl 1998, in der Kritiker eine Werbung für die von der CDU getragene Landesregierung sahen. Dafür hatte Sachsenring-Chef Ulf Rittinghaus einen Millionenbetrag lockergemacht Nach seinen damaligen Aussagen angeblich, weil Wirtschaftsminister Kajo Schornrner ihn dazu aufgefordert hatte. Daraus ergab sich die Frage, ob aufgrund der Kampagnen-Finanzierung die
Aktivitäten der QMF bei ZMD und Sachsenring so großzügig gefördert worden waren. Schommer, der am 8. Juli 2004 im Alter von 67 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben war, hatte sowohl die Aufforderung an Rittinghaus als auch den Zusammenhang zur QMF-Förderung immer bestritten. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags und die Ermittler konnten keine Beweise für die Vorwürfe finden, ein Strafverfahren gegen Schommer kam aufgrund seines Todes, nicht zustande. Die Förderung der QMF jedenfalls war unzulässig.
Nach langer Ruhe taucht der Fall nun wieder auf. Das sächsische Finanzminis terium beantragte jetzt beim Landtag die nachträgliche Genehmigung zusätzlicher Ausgaben von bis zu 9,63 Millionen Euro, die es für 2013 dem Wirtschaftsministerium bereits freigegeben hat. Hintergrund sei die Rückforderung der Europäischen Union, geht aus dem den DNN vorliegenden Schreiben von Finanzminister Georg Unland hervor. Laut Ministeriumssprecher Stephan Gößl betrifft dies den Fall QMF.'
Von INGOLF PLEIL