Karl Nolle, MdL
spiegel-online,, 18:49 Uhr, 22.12.2013
Rechtsextreme in der Krise - NPD-Spitze droht Apfel mit Parteiausschluss
Die NPD geht auf Distanz zu ihrem Ex-Chef Holger Apfel. Es kursieren Gerüchte, wonach er nicht allein aus Krankheitsgründen zurückgetreten sei. Sollte er die Vorwürfe nicht aufklären, werde ihm der Parteiaustritt nahegelegt, erfuhr SPIEGEL ONLINE aus einer Krisensitzung des Präsidiums.
Frankfurt/Hamburg - Die NPD-Spitze hat ihren ehemaligen Vorsitzenden Holger Apfel aufgefordert, die Vorwürfe gegen ihn auszuräumen. Andernfalls will das Parteipräsidium Apfel einen zeitnahen Parteiaustritt nahelegen. Das beschloss das Präsidium nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen auf einer Krisensitzung am Sonntag in Frankfurt.
In einer Erklärung heißt es: "Mit Befremden muss das Parteipräsidium zur Kenntnis nehmen, dass die zunächst von Apfel zur Begründung für seinen Rücktritt angeführten 'Krankheitsgründe' offenbar nur ein Teil der Wahrheit sind. Weitergehende Vorwürfe, die Verfehlungen in der Vergangenheit betreffen, hat Apfel bislang nicht entkräftet."
Der rechtsextreme Politiker war am Donnerstag überraschend als Parteichef zurückgetreten, offiziell wegen Burnouts. Er hatte die rechtsextreme Partei seit November 2011 geführt. Allerdings kursieren Gerüchte, dass die Erkrankung in Wahrheit nur vorgeschoben sei. In der NPD gibt es seit geraumer Zeit Spekulationen über Apfels Privatleben, über die unter anderem das linke Recherche-Blog "Bremer Schattenbericht" geschrieben hat. Im vergangenen Bundestagswahlkampf sei es im Sommer zu einem Vorfall gekommen, bei dem sich offenbar ein Anfang 20-jähriger NPD-Helfer von Apfel belästigt gefühlt habe. Bereits in der Vergangenheit hatte es in der Partei immer wieder Gerüchte über Apfels Privatleben gegeben, wie auch Sicherheitskreise bestätigen.
In der Parteiführung hieß es am Sonntag, Apfel werde vorgeworfen, sich offenbar seit Jahren erpressbar gemacht zu haben. Das Präsidium will den Ex-Parteivorsitzenden nun auffordern, einen umfangreichen Fragenkatalog zu den Vorwürfen zu beantworten.
"Den Makel werde ich nicht los"
Eine Erklärung Apfels, die kurz nach seinem Rücktritt veröffentlicht wurde, legt nahe, dass er von den eigenen Kameraden unter massiven Druck gesetzt wurde. Er beklagte darin "zunehmend ehrverletzende Verleumdungen" gegen seine Person. Diese Verleumdungen seien "zwar haltlos, aber mir ist bewusst, dass ich den damit verbundenen Makel nicht losbekommen werde", so Apfel.
Neben dem Parteivorsitz hatte er am Donnerstag auch seinen Fraktionsvorsitz im sächsischen Landtag niedergelegt. Sein Mandat, so ließ Apfel erklären, wolle er aber behalten.
Ende August sind in Sachsen Landtagswahlen, offenbar hat die NPD Angst vor einem Imageschaden. Zudem stehen in zehn Bundesländern Kommunalwahlen an, im Mai wird über die Besetzung des Europaparlaments neu abgestimmt. In Thüringen und Brandenburg werden ebenfalls neue Landtage gewählt.
Kommissarisch soll nun bis zur Neuwahl eines Parteivorsitzenden der NPD-Fraktionschef im Schweriner Landtag, Udo Pastörs, die Partei leiten. Wie lange er das tun wird, ist derzeit unklar. Es ist davon auszugehen, dass die Parteiführung erst einmal die Abstimmungen im kommenden Jahr bis Herbst abwarten wird, um nicht noch weiter Unruhe zu schüren.
Allerdings sieht sich auch Pastörs' Fraktion mit Vorwürfen konfrontiert. Nach SPIEGEL-Informationen wirft der Landesrechnungshof von Mecklenburg-Vorpommern ihr vor, Steuergelder in Höhe von 80.000 Euro veruntreut zu haben. Dies bestreitet Pastörs.
An der Präsidiumssitzung an diesem Sonntag in Frankfurt nahm auch der langjährige Ex-Parteichef Udo Voigt teil, obwohl er nicht Mitglied der NPD-Führung ist. Offenbar will ihn Pastörs wieder stärker in die Parteiarbeit an der Spitze einbinden. Hardliner Voigt hatte den ehemaligen Vorsitzenden Apfel wiederholt massiv wegen seines Biedermann-Kurses angegriffen. Offiziell heißt es nun, dass Voigt ab sofort die Partei "vor dem Hintergrund des laufenden Verbotsverfahrens" in ihrem Rechtskampf unterstützen werde.
Beide - Voigt und Pastörs - wetteifern derzeit um die Spitzenkandidatur bei der Europawahl. Am 18. Januar wird ein Parteitag bestimmen, wer für die NPD ins Rennen geht.
Von Christina Hebel