Karl Nolle, MdL
Freie Presse, 30.05.2013
Mit Blaulicht zum Verfassungsschutz
Ein sechs Jahre zurückliegender Rettungseinsatz beschäftigte gestern den Untersuchungsausschuss zur Sachsensumpf-Affäre.
Dresden - Ob sie auch mit Blaulicht zurückgefahren sind, darauf wollten sich die zwei Zeugen nicht festlegen. Zum Vorwurf wurde den Rettungsassistenten die fehlende Erinnerung gestern im Landtagsuntersuchungsausschuss aber nicht gemacht. Schließlich liegt das Geschehen inzwischen fast sechs Jahre zurück. An jenem 3. Juli 2007 war das Duo kurz vor 18 Uhr zum Einsatz gerufen worden - ins Landesamt für Verfassungsschutz. Dessen Materialsammlung zu angeblichen Verbindungen hochrangiger Juristen zum organisierten Verbrechen hatte zuvor die Republik erschüttert.
Ohne jenen " Sachsensumpf" hätte es gewiss nicht diesen Rettungseinsatz gegeben. Dass der sich trotz Anfahrt mit Blaulicht länger als üblich hinzog, wissen die beiden heute 41 und 44 Jahre alten Sanitäter auch deshalb so genau, weil sie damals ihren Feierabend um 19 Uhr verpassten. Mit ihrer Patientin, der ehemaligen Referatsleiterin Simone Skroch, kamen sie laut Protokoll erst 19.20 Uhr am Uniklinikum an. " Im Normalfall" würden Pförtner bei der Ankunft eines Rettungswagens in einem Betrieb die Tore öffnen, sagte der 44-jährige Zeuge. Die Wache im Landesamt wollte aber erst einmal die Personalausweise sehen. Er selbst hatte nur seinen Führerschein dabei. Die zweite Verzögerung folgte dann in der Behörde, nachdem die Sanitäter Skroch untersucht hatten und entschieden, sie ins Krankenhaus mitzunehmen - um sie zu " schonen und aus dieser bedrückenden Umgebung herauszubringen" , wie der zweite Sanitäter erklärte. Skroch sei " wirklich ziemlich fertig" gewesen, wenn auch keine Lebensgefahr bestanden habe.
Die Mitnahme sei dann aber zunächst " hinausgezögert" worden, sagte der 41-Jährige, der " Chef" habe sie noch belehren wollen. Weil sich die Sanitäter mit ihrer Forderung auf Abtransport nicht ernst genommen fühlten, alarmierten sie selbst einen Notarzt - um ihren Willen durchzusetzen, nicht aus gesundheitlichen Gründen. Der wurde aber dann doch nicht mehr gebraucht.
Skroch selbst sieht im 3. Juli den Beginn ihres " öffentlichen Hinrichtens" . Auf einer Pressekonferenz hatte der Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos an jenem Tag erstmals Zweifel an der Aussagekraft der von Skrochs Referat zusammengetragenen Materialsammlung zum " Sachsensumpf" bekannt gemacht und damit die entscheidende Wende in der Affäre eingeleitet.
Skroch selbst war am Vormittag zur Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft geschickt worden. Nachdem sie ins Landesamt zurückkehrte, wurde sie im Ruheraum von Boos und seinem Vize Olaf Vahrenhold befragt. Im Untersuchungsausschuss gab sie an, dass Boos verlangt habe, sie solle " endlich alles zugeben" - bevor er ihr ein Disziplinarverfahren eröffnete.
Boos schilderte die Vernehmung freilich ganz anders. Er berief sich im Zeugenstand des Ausschusses darauf, dass er selbst die Rettungskräfte alarmiert habe und die Sanitäter ihm später erlaubt hätten, Skroch auch " Unangenehmes" mitzuteilen. Daran mochten sich die Sanitäter gestern nicht erinnern. Skroch zeigte ihre einstigen Chefs später wegen Körperverletzung im Amt und Nötigung an. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt, ohne dass Boos als Beschuldigter vernommen wurde.
Von Tino Moritz