Karl Nolle, MdL
Agenturen, dpa, 14:47 Uhr, 14.08.2012
Kommissarischer Verfassungsschutz-Chef tritt sein Amt an
Sachsens Verfassungsschutz bekommt Amtshilfe aus Brandenburg. Die Baustellen für den neuen, allerdings kommissarischen Chef in Dresden sind groß.
Dresden (dpa/sn) - Sachsens Verfassungsschutz hat von Mittwoch an wieder einen Chef. Gordian Meyer-Plath (43) absolviert dann seinen ersten Arbeitstag in Dresden. Er soll das Landesamt, das wegen der erfolglosen Fahndung nach dem Neonazi-Trio Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) in die Schlagzeilen geraten war, kommissarisch für ein halbes Jahr leiten. Eine feierliche Amtseinführung ist laut Innenministerium nicht geplant.
Die Erwartungen an den neuen Chef, der zuletzt im Brandenburger Innenministerium gearbeitet hat, sind unterschiedlich, ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa. Vertrauen herstellen, Transparenz schaffen, für Ordnung sorgen - das sind die aktuellen Schlagworte. Während die CDU/FDP-Koalition Hoffnungen mit Meyer-Plath verbindet, bezweifelt die Opposition, dass der in einem halben Jahr eine wirkliche Neustrukturierung des Verfassungsschutzes einleiten kann.
Der Baden-Württemberger tritt die Nachfolge von Reinhard Boos an, der Anfang Juli nach dem überraschenden Fund von Akten sein Amt aufgegeben hatte und wieder im sächsischen Innenministerium arbeitet. Innenminister Markus Ulbig (CDU) freut sich auf Meyer-Plath. «Er kennt sich auf dem Gebiet hervorragend aus, hat den Blick von außen und wird in der Kürze der Zeit die richtigen Weichen stellen können.» Die unabhängige und renommierte Expertenkommission erarbeite parallel Vorschläge für eine neue tragfähige Struktur des Verfassungsschutzes.
«Nach dem bedauerlichen Rücktritt von Reinhard Boos wünschen wir uns eine konstruktive und transparente Zusammenarbeit», sagte CDU- Fraktionschef Steffen Flath. Die Fraktion halte den sächsischen Verfassungsschutz für unverzichtbar. FDP-Rechtsexperte Carsten Biesok erwartet von Meyer-Plath konstruktive Vorschläge zur Weiterentwicklung der Behörde, besonders zu deren Effizienz. Derzeit befasse sich nur ein kleiner Teil der 190 Mitarbeiter mit dem Thema Rechtsextremismus, betonte er und deutete damit die Richtung an.
Während sich die Opposition daran stößt, dass Meyer-Plath nur eine Interimslösung sei, hält der FDP-Politiker das für gut. «Wir müssen uns jetzt grundsätzlich Gedanken über den Verfassungsschutz in Deutschland machen. Da ist ein kommissarischer Chef eher offen für Veränderungen als jemand, der seine Position als gefährdet ansehen könnte», sagte Biesok.
Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt meinte, der neue Chef müsse auch mit Blick auf die parlamentarische Kontrolle des Geheimdienstes für größere Offenheit und Transparenz sorgen. Das halbe Jahr Amtszeit schränke das allerdings ein: «Der Innenminister hat mit Meyer-Plath einen Verwalter eingesetzt, der nicht gestalten kann.» Ähnlich sieht es Karl Nolle, SPD-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss, der von einer «Alibi-Lösung» sprach.
«Wir brauchen eine grundsätzliche Lösung, um den Verfassungsschutz neu zu justieren», sagte Nolle. Für ihn ist der Innenminister das größte Problem, «weil der Nebelbomben wirft und mit Unschuldsmiene sagt, es sei alles in Ordnung». Es fehle in Sachsen eine fachliche und sachliche Führung des Verfassungsschutzes durch das Innenministerium. «Meyer-Plath sollte als erstes Brillen verteilen, um die sächsische Sehschwäche auf dem rechten Auge zu korrigieren.»
Sein Grünen-Kollege Miro Jennerjahn schlug in die gleiche Kerbe: «Ich erwarte, dass es eine konkrete Problembenennung gibt. Wir haben nicht allgemein ein Rechtsextremismus-Problem, wir haben ein Nazi-Problem.» Meyer-Plath müsse unbedingt auch die Aufklärung der Pannen bei der Fahndung nach dem NSU-Trio offensiv vorantreiben, forderten Jennerjahn und Nolle. Beide verwiesen darauf, dass endlich die Versäumnisse in Sachsen offengelegt werden müssten.
Meyer-Plath war bisher Leiter des Referats «Auswertung politischer Extremismus» im Potsdamer Innenministerium und wird nach Sachsen abgeordnet. Er stammt aus Karlsruhe, studierte mittelalterliche und neuere Geschichte, Amerikanistik und öffentliches Recht in Bonn und Brighton. Seit 1994 ist er in unterschiedlichen Positionen der Verfassungsschutzabteilung im brandenburgischen Innenministerium mit Schwerpunkt Extremismus tätig.
Autorin: Petra Strutz
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