Karl Nolle, MdL
Süddeutsche Zeitung, 14.08.2012
Debatte um neuen Antrag beim Bundesverfassungsgericht - Warum das NPD-Verbot ein Beitrag zum inneren Frieden wäre
Ein Kommentar von Heribert Prantl
Man kann lange diskutieren, ob eine Partei, die verfassungsfeindlich ist, verboten werden muss. Wenn sie Gewalt fördert und anstachelt, ist das Verbot geradezu ein Gebot. Egal ob Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung oder alle drei Verfassungsorgane den Antrag einreichen, die alten Fehler aus dem vor zehn Jahren kläglich gescheitern Versuch werden sie nicht mehr machen.
Eine Klage in Karlsruhe ist keine olympische Disziplin. Es zählt nicht die Zahl der Kläger, nicht die Dicke der Schriftsätze und die Zahl der Aktenordner, die an das Verfassungsgericht geschickt werden. Eine Klage gewinnt auch nicht unbedingt dadurch an Gewicht, dass die Schriftsätze besonders zahlreich sind. Es zählt die Qualität der Begründung. Das gilt auch beim Antrag auf ein Verbot der NPD.
Ein neuer Verbotsantrag muss gut begründet werden. Aber aus den 43 Seiten, mit das Verfassungsgericht vor zehn Jahren den Verbotsantrag abgewiesen hat, hat die Politik gelernt.
Ein schlecht begründeter Verbotsantrag wird nicht besser, wenn er von drei obersten Verfassungsorganen, also von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung gestellt wird. Und ein gut begründeter Verbotsantrag wird nicht dadurch schlechter, dass er nur vom Bundesrat gestellt wird. Eine Debatte, die so tut, als könne und müsse man die Richter mit geballter Antragsmacht beeinflussen, ist ziemlich daneben.
Es ist für den Erfolg des Antrags ohne Bedeutung, ob ein, zwei oder drei Verfassungsorgane das NPD-Verbot beantragen. Im Übrigen: Die wichtigsten Entscheidungen in Karlsruhe sind nicht von Klägern und Beschwerdeführern erstritten worden, die mit Vornamen Wichtig hießen. Würde sich das Gericht von der Prominenz von Antragstellern beeindrucken lassen, wäre es ein schlechtes Gericht.
Lorbeertauglichkeit eines Verfahrens
Vor zehn Jahren hat Karlsruhe die damaligen Verbotsanträge abgewiesen, obwohl die Staatsmacht ihre obersten Organe als Antragsteller aufgeboten hatte. Der "Aufstand der Anständigen" scheiterte kläglich daran, dass die Klagen unsauber begründet waren - sie hatten sich auf Texte und Programme von V-Leuten gestützt.
Aus den 43 Seiten, mit denen damals Karlsruhe den Verbotsantrag abgewiesen hat, konnte man lernen, musste man lernen, hat man gelernt. Ein neuer Verbotsantrag wird die alten Fehler nicht mehr machen - er wird die Herkunft des belastenden Materials penibel beschreiben. Und er wird auf die Verbindung zwischen rechtsextremer Politik und Verbrechen eingehen; es sind dies womöglich die zwei Seiten einer Medaille.
Zwischen dem ersten Antrag auf Verbot der NPD und einem zweiten liegen nicht einfach nur zehn Jahre, sondern die Aufdeckung einer braunen Mordserie. Man kann lange diskutieren, ob eine Partei, die einfach nur verfassungsfeindlich ist, verboten werden muss. Wenn sie gewalttätig ist, wenn sie Gewalt fördert und anstachelt, ist das Verbot ein Gebot - weil es hilft, potenzielle Opfer zu schützen.
Karlsruhe ist nicht scharf auf das Verbotsverfahren. Es bindet die Kräfte eines Gerichts, dessen Kraft schon genug beansprucht ist. Es mag sein, dass das Gericht glaubt, mit Urteilen in EU-Angelegenheiten mehr Ruhm ernten zu können als mit einem Verbotsprozess. Indes: Die Lorbeertauglichkeit eines Verfahrens kann kein Karlsruher Zulässigkeitskriterium sein.
Das Verbot der NPD ist in einem Land, in dem Millionen Menschen leben, die den Rechtsextremisten als minderwertig gelten, ein Beitrag zum inneren Frieden. Für inneren Frieden zu sorgen, ist die höchste Aufgabe des Rechts. Und der Verfassungsschutz hat im Rahmen des Verbotsverfahrens die Chance, sich zu rehabilitieren.