Karl Nolle, MdL

Plenum des Sächsischen Landtages, 10.12.2020

>>>>>>>>SACHSEN AM RANDE EINER BANANENREPUBLIK <<<<<<<<

Karl Nolle,MdL - RECHTSSTAAT ODER SACHSENSUMPF ?
 
(Rede zum Abschlussminderheitenbericht des 2. UA (Parlamentarischer Untersuchungsausschuss)
 im Plenum des Sächsischen Landtages am 10.07.2014, Karl Nolle, MdL, Obmann im Sachsensumpf -
Untersuchungsausschuß)

"Sachsen am Rande einer Bananenrepublik - oder es kann nicht sein was nicht sein darf "

https://www.youtube.com/watch?v=FRbJVmnVBM0

(dpa) 10.7.14: Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle nutzte seinen
 letzten Auftritt im sächsischen Landtag (in seiner Abschiedsrede)
zur Generalabrechnung mit der CDU-Koalition und der von ihr
getragenen Regierung:

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Meine Damen und Herren
der demokratischen Fraktionen.

Die grundlegende Idee unserer freien, sozialen und rechtsstaatlichen Gesellschaft ist die Machtbegrenzung des Staates.

Der Staat, das sind Menschen, wir hier im Parlament, das ist die Exekutive mit allen ihren Verästelungen und das ist die Justiz.

Machtbegrenzung heißt Rollenverteilung, heißt Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung, heißt faire Behandlung und Berechtigung der Opposition und heißt informationelles Gleichgewicht.

Es heißt auch Freude an der Unterschiedlichkeit der Meinungen und der Herangehensweisen, heißt aber immer Wahrhaftigkeit, Offenheit und Gebundenheit an die Verfassungsordnung.

Parlamentarier, die sich als Vollziehungsbeamte der Regierung verstehen, Regierungsmitglieder, die die Justiz reglementieren oder Staatsanwälte, die sich politischen Zielen ihrer Karriere und vorauseilendem Gehorsam verschreiben, das sind die wahren Feinde der Verfassung.

Sie haben ihr Amt nicht verstanden, sie sind eine glatte Fehlbesetzung - ein Schadensfall für die Verfassungsordnung.

Ist das dann noch mit Verdeckungstendenzen, mit Halbwahrheiten und Selbstgerechtigkeit - am Ende dann noch mit wenig ehrsamen, verlogenen Erinnerungslücken verwoben, ergibt sich ein wirklich ekelhaftes Gemisch.

Das haben wir alles im 2. Untersuchungsausschuß erlebt.

Wie sollen wir diesem Staat in Bescheidenheit und Wahrhaftigkeit dienen, wie sollen unsere Beamte, die einen Eid auf die Verfassung abgelegt haben und unseren Rechtsstaat verteidigen sollen dies mit reinem Herzen tun?

Wie sollen wir Wähler mit Freude, Anerkennung und Respekt zu diesem Gemeinwesen erfüllen, wie sollen wir die Jugend für Politik begeistern, wenn, koste es was wolle, gemauert und verbrämt, abgestritten und abgelenkt wird, wenn es darum geht, eine Affäre aufzuarbeiten.

Besser: Wenn es darum geht, dass der Souverän, in seiner Vertretung das Parlament, einen hysterisch aufgebauschten, rechtsstaatlichen Schadensfall in seinen Ursachen, Wirkweisen und Folgen zu analysieren versucht.

Am Anfang stand die Versuchung, der Verfassungsregel des Trennungsprinzips in Artikel 83 Absatz 3 Satz 1 ein Schnäppchen zu schlagen: „Der Freistaat unterhält keinen Geheimdienst mit polizeilichen Befugnissen“.

Entschuldigung, meine Damen und Herren,

es kann nur - wie passiert - rechtsstaatlicher Unfug herauskommen, wenn Minister de Maiziére auf den Kollegen Bandmann hört.

Der Verfassungsschutz ist ein Geheimdienst und ist wie jeder Geheimdienst naturgemäß nur schwer kontrollierbar.

Den Verfassungsschutz mit Funktionen, Aufgaben und Befugnissen der Exekutive zu versehen, war ein Schlag vor den Kopf des revolutionären Geistes unserer Sächsischen Verfassung.

Verfassungsgerichtshof und Datenschutzbeauftragter konnten beide leider nicht verhindern, dass dennoch die gesammelten Erkenntnisse dem Generalstaatsanwalt übermittelt wurden, der sie für bare Münze nahm. Bei ihm konnte man nämlich, wie bei einem Stehgeiger, bestellen, was er spielt.

Weil ein überforderter Innenminister Dr. Buttolo sein von Sach- und Rechtskenntnis ungetrübtes, wirklich laienhaftes "Gewissen" öffentlich hier im Landtag strapazierte und weil ein listiger, peinlich selbstzufriedener Justizminister Geert Mackenroth sich als oberster Staatsanwalt aufspielte, geriet der Freistaat in eine informationelle Katastrophe und in eine Ansehenskrise sonder gleichen.

Das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses, kann eigentlich, was die Lage von Teilen der Justiz und des Rechtsstaates in Sachsen angeht, erdrückender und bedrückender nicht sein, „eine sächsische Simulation von Rechtsstaat“. Das ist keine Werbung für Vertrauen in unseren Rechtsstaat.

Seit der bewußt im Sande verlaufenden Regierungsaffäre um den, vom Rechnungshof, benannten „30-Millionen Untreueschaden“ bei der Anmietung des Paunsdorf Behördenzentrums, wissen wir:

Wenn es um die Mächtigen im Freistaat ging, ist die sächsische Staatsanwaltschaft zu einer Art institutionalisierten Strafvereitelungsbehörde geworden.

Meine Damen und Herren,

Der in Sachsen leider immer noch auf dünnen Beinen stehende Rechtsstaat hat mit diesem Skandal eine weitere Bewährungsprobe nicht bestanden. Teile von Politik und Justiz, die damals wie heute die Herren der Verfahren waren und sind, haben Sachsen, koste es was wolle, an den Rand einer Bananenrepublik gebracht.

Für dieses erneute Versagen kann die Opposition nichts - die katastrophalen Folgen gehen allein mit den damaligen Herren des Verfahrens nach Hause.

Aber auch die weitere Behandlung der Krise wurde ein Desaster. Sie kennen die Einzelheiten von den peinlichen, sämtlich verlorenen Prozessen gegen Justizbedienstete und Medien mit bundesweitem Aufsehen.

Ich erinere an die sogenannte Verwaltungshilfe durch einen Landgerichtspräsidenten aus einer südwestlichen Provinz, über den der Justizminister, was sein erst kürzlich aufgetauchter Bericht schwarz auf weiß dokumentiert, mittelbar und unmittelbar Einfluss nahm auf Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und damit auf deren politische und juristische Bewertung.
Das ging bis hin zu rechtsstaatlich skandalösen E-Mails, z.B. zum Gesundheitsbulletin der Hauptbeschuldigten Simone Henneck-Skroch und den irren Versuchen der Staatsanwaltschaft, unter Missachtung und Umgehung der ärztlichen Schweigepflicht, medizinische Auskünfte von der behandelnden Ärztin zu erlangen.

Man wollte sie telefonisch dazu bewegen, unter Abänderung der ursprünglichen ärztlichen Diagnosen, Vernehmungsfähigkeit als Zeugin zu attestieren.

Die damalige Beamtin des Landesamtes für Verfassungsschutz, Simone Henneck-Skroch wird seit sieben Jahren mit bis heute nicht abgeschlossenen zehn Disziplinar- und Strafverfahren überzogen, unter Verletzung elementarer Persönlichkeits- und Verteidigungsrechte. So wurden mit Anklageerhebung ihrer Verteidigung nachweislich 9057 Seiten der Ermittlungsakten vorenthalten, davon 1068 Seiten der Hauptakten.

Simone Henneck-Skroch ist die selbe Beamtin, der Minister Buttolo hier im Landtag, für ihren engagierten Dienst dankte, sie persönlich für herausragende fachliche Kompetenz und extreme Belastbarkeit lobte und eine Geldprämie zukommen ließ.

Es ist dieselbe noch heute schwer traumatisierte Beamtin, die man nach Aufkommen des Skandals schon ab 3.7.2007 öffentlich als Alleinschuldige für die gesamte Sachsensumpfhysterie auserkoren, als Kriminelle stigmatisiert hat und öffentlich hinrichtete, um den Skandal platt zu machen.

Nach politischem Bedarf, anzuklagen überließ man einem offensichtlich von keinem Skrupel getrübten, willfährigen Staatsanwalt, der heute um seine Karriere prozessiert.

Es fällt ins Auge, das sich bisher kein unabhängiges Gericht mit dem Sachsensumpf beschäftigt hat, allenfalls sind die in Sachsen besonders weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften tätig geworden. Bei diesen Herren geht es weisungsgemäß nur um den Schutz des Staates vor der üblen Nachrede des Sumpfes, d.h. bei Ihnen: Schutz vor unbotmäßigen Ermittlern, Zeugen, Journalisten, Abgeordneten, Rechtsanwälten und allen anderen, die es für möglich halten, dass in Sachsen etwas Ungesetzliches passiert sein könnte.

Um sie juristisch zum Schweigen zu bringen wurden diese verfolgt, an den Pranger gestellt, traumatisiert, psychisch und physisch zerstört, dienstunfähig krank oder in den vorzeitigen Ruhestand befördert und inflationär mit Ermittlungsverfahren überzogen.

Diese Methode ist die sächsische Spezialität des Ermittlungsverfahrens als Strafe. Hauptsache ein Verfahren eröffnen, und öffentlich machen, was dann hoffentlich recht lange dauert und den Beschuldigten ruiniert,

Warum lässt man bis heute die Gerichte nicht endlich die Arbeit machen, für die sie geschaffen sind?


Meine Damen und Herren,

Im Mittelalter wurden Verurteilte an den Pranger gestellt. Die Strafe war dabei die öffentliche Schande.

Aber immerhin kam man damals nur an den Schandpfahl, wenn man vorher auch verurteilt worden war.

Heute brauchen wir kein Urteil mehr, es reicht die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft oder der Staatsregierung und das ganze Land sieht zum Pranger.

Was für ein Fortschritt!


Meine Damen und Herren,

Der wahre Sachsensumpf ist, nach meiner Überzeugung, die - koste es was wolle - verkrampfte Suche nach Schuldigen für die Medienblase, es ist die hysterische Abmoderation des öffentlichen Skandals und die vordemokratische Stigmatisierung von auserkorenen „Schuldigen“. Das ist nicht neu, das habe ich bereits im Juni 2009 hier am Pult gesagt.

Armes Sachsen, armes Land der friedlichen Revolution, Land des Aufbruchs in den Rechtsstaat. Der Verrat an der Reinheit und Klarheit der Gedanken kommt aus Deinen Reihen - aus Machtversessenheit und Machtvergessenheit.

Ich wünsche mir von den Machthabern im Land Bescheidung im Amt.

Die wichtigste Frage seit Solon, der in Athen um 600 vor Christus regierte, lautete:

"Wie finde ich einen Herrscher, der sich unter das Gesetz stellt?"

Diese Frage hat die CDU, die Sächsische Union, bis heute nicht zu beantworten vermocht."

Zum Schluss möchte ich Sie an dieser Stelle, an das zum Thema passende Gedicht

„Die unmögliche Tatsache“
von Christian Morgenstern erinnern.

Es handelt vom älteren Herrn Palmström, der von einem Kraftfahrzeug überfahren wurde und sich nun fragt, wie dieses Unglück geschehen konnte.

Ist die Staatskunst anzuklagen
in bezug auf Kraftfahrwagen?
Gab die Polizeivorschrift
hier dem Fahrer freie Trift?

Eingehüllt in feuchte Tücher,
prüft er die Gesetzesbücher
und ist also bald im klaren:
Wagen durften dort nicht fahren!

Und er kommt zu dem Ergebnis:
»Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil«, so schließt er messerscharf,
»nicht sein kann, was nicht sein darf!«

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


Lassen Sie mich zum Schluß noch einen Satz an den Kollegen Piwarz (CDU)sagen: Lieber Kollege Piwarz, die Demokratie stellt nur die Mehrheitsfrage nicht die Wahrheitsfrage.

Daran sollten Sie ab und zu mal denken.